Ferdinand Graf Zeppelin
denn handele.
Der Gefragte tippte sich mit dem Zeigefinger vielsagend an die Stirn und entgegnete dann mit absichtlich lauter Stimme: »Ach der! Das ist ein vollkommener Narr. Das ist nur unser Graf Zeppelin, der meint, er könne durch die Luft fahren! Ein echter Narr und Wirrkopf!«
Wie die meisten anderen Gäste im Raum hatte natürlich auch der Graf den unverschämten Satz vernommen. Er zog es aus guten Gründen jedoch vor, das Lästermaul nicht zur Rede zu stellen und sich selbst die mitleidigen Blicke des Schauspielers nicht sonderlich zu Herzen zu nehmen. Was mochten diese ahnungslosen Gesellen auch anderes sagen, als das dumme Geschwätz einfach nachzuplappern, das ja selbst aus dem Munde von angeblichen Experten immer wieder zu hören war. Und dass die Zeitplanung tatsächlich den Erwartungen weit hinterher hinkte, das war ja nun leider eine nicht zu leugnende Tatsache. Der Grund, weshalb er sich heute in Stuttgart befand. Klar war ihm dabei geworden: Man musste den Leuten endlich etwas bieten.
Nun gut: bald würden sie etwas geboten bekommen. Seine Ankündigung hatte er heute gemacht. Und er war nicht der Mann, der geneigt war, sich später Lügen strafen zu lassen.
Immerhin konnte er den Aufenthalt in Stuttgart dafür nutzen, gleich im Anschluss an das Mittagessen noch Gottlieb Daimler in Cannstatt aufzusuchen. Um auch die Sache mit der leidigen Terminverschiebung bei den Motoren endlich geklärt zu bekommen. Er musste den Daimlerleuten einfach mehr Druck machen und dazu brauchte es ein persönliches Gespräch mit dem Konstrukteur – selbst jetzt, wo Daimler, wie man hörte, zu allem Übel mit ernsthaften Gesundheitsproblemen zu kämpfen hatte. Vielleicht war ja genau dies der Grund für die ständigen Verzögerungen. Aber wenn Daimler ausfallen sollte … dann musste jetzt eben der Wilhelm Maybach das Heft entschlossener als bisher in die Hand nehmen. Am besten, er teilte diese Auffassung auch gleich noch Duttenhofer mit, dem mächtigsten Mann in der DMG, dem es ein Leichtes wäre, die Weichen dementsprechend neu zu stellen und der Fertigstellung der Luftschiffmotoren höchste Priorität einzuräumen. Eine gute Idee! So konnte man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Duttenhofer mit seiner ewigen Nörgelei den Mund stopfen, in dem er darauf verwies, dass das Problem momentan in dessen eigener Firma zu finden war – und nicht bei der Luftschiffbaugesellschaft in Manzell! Jetzt konnte der Herr Kommerzienrat einmal zeigen, was wirklich in ihm steckte.
Und Duttenhofer tat es: bereits am 17. Februar des Jahres 1899 wurde der erste von zwei mächtigen 12 Pferdestärken Vierzylinder-Daimler-Motoren ausgeliefert, die später Zeppelins riesiges Luftschiff antreiben sollten. Was für gewaltige Motoren! Das war eine ganz andere, ungleich kraftvollere Dimension, als das seinerzeit bei den ersten Luftfahrt-Versuchen des unglücklichen Wölfert in Cannstatt der Fall gewesen war. Insgesamt 24 Pferdestärken würden zum Einsatz kommen! Mit Hilfe dieser Kraft müsste man sicher in der Lage sein, bei einigermaßen normalen Windverhältnissen, ja selbst bei einem gewissen Gegenwind, das Luftschiff in jede nur denkbare Position zu bugsieren.
24 Pferdestärken! Das bedeutete nicht mehr und nicht weniger als den Schritt in eine neue Dimension. Unfassbar, wie rasch der technische Fortschritt innerhalb weniger Jahre gediehen war – gerade bei den Motoren. Und es würde nicht minder rasant weiter gehen. Dessen war sich Zeppelin ganz sicher. Schon die ersten Probefahrten würden ihnen neue, wertvolle Erkenntnisse liefern, wo bei Antrieb und Luftschrauben noch eventuelle Schwachstellen lagen, die man weiter kontinuierlich verbessern konnte.
»Allerdings … Exzellenz«, unterbrach der junge Ludwig Dürr Zeppelins Gedankengänge.
»Ja, was gibt es denn, Dürr?«
»Nun ja …« Dürr kratzte sich verlegen im Nacken. »Es ist wegen der Sache mit der Zündung, Exzellenz …«
»Was ist denn mit der Zündung, Dürr? Jetzt kommen Sie schon: lassen Sie sich nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!« Zeppelin machte eine aufmunternde Geste. »Sie meinen, der Glühkopf könnte uns Probleme bereiten?«
Überrascht sah Dürr auf. »Ja, genau. Woher wissen Sie das, Exzellenz?«
»Weil ich mir natürlich schon auch dieselben Gedanken mache. Die Tatsache, dass die Daimlermotoren nach wie vor mit einer Glühkopfzündung ausgestattet sind, gibt auch mir Grund zu einer gewissen Sorge. Über uns, in der Hülle, werden
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