Ferdinand Graf Zeppelin
– und alles wäre aus.
Das Startklarmachen des Luftschiffs geriet zu einer enormen Nervenprobe für alle Beteiligten. Immerzu höchste Konzentration. Und die Befüllung würde noch Stunden dauern. Aber das war Zeppelin und seinen engsten Mitarbeitern schließlich von vornherein klar gewesen. Wichtig waren jetzt vielmehr die richtigen Wetterverhältnisse. »Ich kann Sie beruhigen: das Wetter wird auch weiterhin günstig bleiben. Wir sind, von dieser Warte aus betrachtet, absolut im Zeitrahmen«, nickte Professor Hergesell zufrieden und richtete zur Bestätigung einen bedeutungsvollen Blick erneut hoch in den Himmel zu dem meteorologischen Messballon, den er direkt an der Schwimmhalle verankert hatte. »Der Wind dürfte auch am späten Nachmittag noch deutlich unter einem Meter pro Sekunde liegen. Sie brauchen also keinerlei Bedenken wegen der äußeren Umstände zu hegen, Exzellenz.«
»Nun gut! Dann werde ich dem Wilcke also sagen, dass er die Ehrengäste bitten soll, sich bis spätestens halb fünf Uhr am Ufer einzufinden, um das Dampfschiff zu besteigen. Gegen fünf Uhr können Sie mit dem Aufstieg rechnen«, entgegnete Zeppelin mit ernster Miene – um keine halbe Minute später die Stirn in ärgerliche Falten zu legen. »Was ist das denn plötzlich? Weshalb hören sie dort hinten einfach mit dem Befüllen auf?«
Im Nu begab er sich an das andere Ende der Schwimmhalle, um die dort arbeitenden Männer zur Rede zu stellen, weshalb sie die Arbeit an der letzten Gaszelle einfach unterbrochen hatten. Er brauchte die Antwort gar nicht erst abzuwarten, denn schon im Laufen konnte er erkennen, dass das Schiff mit dem Heck leicht nach unten gesunken war. Das konnte nur heißen, dass mit der Trimmung des Ballasts etwas nicht zu funktionieren schien. Und das wiederum bedeutete, dass die Männer richtig gehandelt hatten, als sie sofort stoppten, denn während dieser kritischen Phase, in der die Gaszellen befüllt wurden, war ein exaktes Ausbalancieren des Luftschiffs unabdingbar. Das war den Arbeitern von Zeppelin, Dürr und Kober ja gleich mehrfach hintereinander strikt eingeschärft worden. Also würde es hier erst einmal nicht weiter gehen können. So lange nicht, bis der Ballast richtig angebracht war, um das Schiff weiterhin in einer absolut waagrechten Position zu halten.
Die Zeit verstrich zäh – und für die zahlreichen Zaungäste am Ufer und auf den verschiedenen Booten – schien es, als sei die Arbeit in der Luftschiffhalle gänzlich zum Erliegen gekommen. Das war natürlich ein Trugschluss, aber das sorgfältige Ausbalancieren und das anstrengende Festzurren der Halteleinen für den gewaltigen Gaskörper ließ sich nun einmal nicht im Handumdrehen bewerkstelligen. Dazu gesellten sich die nervtötenden Störungen durch jene unverschämten Schiffsbesatzungen, die sich immer wieder viel näher an die Schwimmhalle heranpirschten, als ihnen dies durch eine polizeiliche Anordnung erlaubt war.
»Was ist denn jetzt mit dem Aufstieg?«
»Schlaft ihr da drinnen?«
»Braucht ihr vielleicht Hilfe?«
»Wird uns heute noch etwas geboten, oder können wir nach Hause gehen?« Solche und ähnliche Zurufe, die lautstark durch die Halle dröhnten, waren für den konzentrierten Fortgang der Arbeit alles andere als hilfreich. Zumal Zeppelin sich inzwischen gezwungen sah, vier Männer, darunter seinen bewährten Bootsführer Marx, aus der Befüllungsmannschaft abzuziehen. Mit Hilfe von zwei Motorbooten sollten sie Sorge dafür tragen, dass sich keine weiteren Boote mit ungebetenen Gästen dem Luftschiff näherten.
Gut und gerne acht Stunden waren so vergangen, beinahe 2500 Gasflaschen waren entleert und deren Inhalt in die nunmehr prallen Gaszellen geströmt, inzwischen war es bereits kurz vor fünf Uhr, als Theodor Kober vor den Grafen trat und nickte. »Wir wären dann wieder so weit, Exzellenz. Das Schiff ist ausbalanciert, die Konstruktion stabil. Von meiner Warte aus steht einem Fortgang der Befüllung nichts mehr im Wege.«
Endlich!
Von wegen!
»Es tut mir leid«, meldete sich genau in diesem Moment Ludwig Dürr zu Wort. »Sicherheitshalber sollten wir nun aber noch einmal die Gaszellen überprüfen und auch die Ventile – denn seit der Unterbrechung der Befüllung sind ja nun beinahe fünf Stunden verstrichen.«
Zeppelin vermeinte, sich verhört zu haben. »Dürr!« Ungläubig starrte er in das Gesicht des verlegen mit den Schultern zuckenden Ingenieurs, der seinem entgeisterten Blick gleichwohl tapfer
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