Ferdinand Graf Zeppelin
seinen ständigen Nachberechnungen und Überprüfungen verlässlich dafür sorgte, dass die Euphorie nicht ins Uferlose stieg. »Wenn ich noch einmal zusammenfasse, was uns Professor Hergesell und Herr von Bassus über den Luftdruck und die Auftriebskraft unseres Wasserstoffgases gerade eben noch einmal erklärt haben – das sind ja schon ganz enorme Schwankungsbreiten, je nachdem, welche Temperatur außen vorherrschen wird und in welchem Winkel die Sonnenstrahlen dann auf die Hülle treffen werden und wie sich das unterschiedlich auf die Gaszellen im vorderen und im hinteren Bereich unseres Schiffes auswirkt – scheint es von entscheidender Wichtigkeit zu sein, die Motoren durch ein ganz exaktes Ausbalancieren zu entlasten. Denn je nach Windlage und Sonneneinstrahlung wird sich das Schiff mit der Nase heben und dafür das Heck nach unten sinken – oder umgekehrt. Für die Motoren bedeutet das eine enorme Zusatzbelastung. Aus diesem Grund wäre mir eigentlich ein leicht bedeckter Himmel am allerliebsten für unseren ersten Aufstieg«, sinnierte Dürr mit sorgenvoll gerunzelter Stirn.
»Mir wäre eher eine stabile, sonnige Wetterlage am allerliebsten. Mit möglichst wenig Wind«, brummelte Bassus. »Mir natürlich auch«, pflichtete Zeppelin ihm bei. »Aber wie gesagt: je nachdem, in welchem Winkel die einzelnen Gaszellen durch die Sonne erwärmt werden, müssen wir natürlich schon sorgsam darauf achten, ob wir die Auftriebskräfte am Bug verringern oder steigern müssen. Aber genau für diesen Zweck ist ja die Trimmung vorgesehen.« Als Trimmung verwendeten sie ein 130 Kilogramm schweres Gewicht, das man über ein Drahtseil zwischen der vorderen und der hinteren Gondel hin und her schieben konnte, womit für ein rasches Ausbalancieren der unterschiedlichen Auftriebskräfte an Bug und Heck bestens Sorge getragen war. Vor allen Dingen für die Motoren bedeutete diese Trimmung zwar einerseits noch mehr Gewicht, das zu bewegen war, andererseits aber in erster Linie eine entscheidende Entlastung. Es war, wie immer halt, alles eine Frage der Abwägung. Aber speziell diese Maßnahme musste schlichtweg sein. Darin war sich Zeppelin ganz sicher. »Die Motoren werden ohnehin bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit arbeiten müssen – trotz ihrer zwei Mal zwölf Pferdestärken, die sie leisten können. Denn die Schubkraft, die notwendig ist, um einen dermaßen riesigen Flugkörper trotz aller äußeren Einwirkungen immerzu in einer stabilen Lage zu halten, sind bekanntlich enorm. Von dieser Warte aus betrachtet, bietet uns die Trimmung mit dem Gewicht am Drahtseil ja wirklich eine bestechend einfache Möglichkeit, ganz rasch zu reagieren und die Motoren zu entlasten. »
»Genau aus diesem Grund möchte ich jetzt lieber doch noch einmal die Kräfte, die beim Verschieben des Gewichts auf die Stahltrosse einwirken, ganz genau durchrechnen. Nicht, dass wir ein Teil womöglich zu schwach berechnet haben. Denn wenn mit der Trimmung etwas schief geht …«
»Aber wenn Sie zu dem Schluss kommen sollten, die Verankerung oder das Stahlseil als solches noch kräftiger machen zu müssen, dann bedeutet das, dass wir wieder ein Problem mit dem Gewicht haben werden …« knurrte Bassus und bedachte die anderen dabei mit einem absichtlich indignierten Blick, der ihnen zeigen sollte, wie sehr ihm der überpenible Dürr heute wieder einmal auf die Nerven ging.
»Und wenn ich das Seil zu schwach berechne und das Gewicht dadurch nicht einsatzfähig ist, dann haben wir mindestens das doppelte Problem«, konterte Dürr trocken. »Ich werde es also sicherheitshalber noch einmal durchrechnen. Lieber einmal zu oft, als einmal zu wenig …«
»Oh Dürr! Dann tun Sie halt, was Sie sowieso nicht lassen können«, zischte der Freiherr, erntete dafür jedoch seinerseits nun einen tadelnden Blick des Grafen Zeppelin.
»Mir ist es allemal lieber, wenn wir nicht nur doppelt, sondern gleich drei- oder fünffach auf Nummer sicher gehen«, sprang Zeppelin seinem Konstrukteur verständnisvoll zur Seite. »Denn wie gesagt: ganz Deutschland wird den Aufstieg mit Spannung verfolgen – und wehe uns, wenn wir dabei scheitern. Das wäre das sichere Ende für all meine Luftschiffpläne!«
Als wäre die nervöse Anspannung, die Ferdinand von Zeppelin und seine Männer so kurz vor dem ersten Aufstieg ergriffen hatte, nicht schon Belastung genug gewesen: wenn er sich zusätzlich auch noch die Liste der Gäste vor Augen führte, die auf dem extra für sie
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