Ferien mit Mama und andere Katastrophen
und lustlos in ihrem Salat stocherte. Herr Kubasch warf ihr immer wieder heimliche Blicke zu. Mann, war das peinlich! Als ob die anderen das nicht mitbekommen würden. Einige tuschelten schon. Zadek erschien etwas später mit nassen Haaren und zerschrammtem Gesicht.
»Willst du’s dir nicht doch noch mal überlegen?«, fragte Mama, nachdem ich die dritte Portion Moussaka in mich hineingestopft hatte.
Ich schüttelte den Kopf. Als die Begrüßungscocktails serviert wurden, stand ich hastig auf. Mama warf mir einen flehenden Blick zu. Im selben Moment sank ich auf meinen Stuhl zurück und starrte die aussortierten Oliven auf meinem Tellerrand an. Meine Ohren begannen zu glühen. »Ich bleib doch«, quetschte ich schließlich zwischen den Zähnen hervor.
Mama verstand nicht, was meinen plötzlichen Sinneswandel bewirkt hatte. Verwundert schaute sie sich um.
»Guck doch nicht so hin!«, zischte ich.
»Wo guck ich denn hin?«, empörte sie sich.
Aber da hatte sie ihn schon erspäht. Er stand drüben am Büfett, legte frische Weintrauben und Pfirsiche in die Obstschalen und war hundertprozentig gerade aus dem griechischen Götterhimmel zu uns hinabgestiegen. Damit ihn niemand erkannte, war er in Tarnkleidung unterwegs: mit lila Bedienschürze und kleinem weißen Käppchen.
Mama grinste. »Griechischer Gott mit sechs Buchstaben?«
»Adonis, haha.« Manchmal war sie echt peinlich.
»Die haben hier aber junge Kellner«, setzte Mama noch eins drauf.
Ich knetete das Ende des weißen Tischtuches und wusste nicht, wohin ich schauen sollte.
Mama hatte da nicht solche Hemmungen. »Der ist ja süß«, flötete sie hinter vorgehaltener Hand.
»Noch ein Wort«, zischte ich, »und du bleibst allein bei deinem Kennenlernabend.«
Das half. Sie verstummte augenblicklich.
Ich wagte einen zweiten Blick. Der Göttergrieche sortierte noch immer seine Weintrauben. Mann, war der braun! Typisch Ureinwohner, würde Luise jetzt sagen. Er hatte eine wilde Mähne schwarzer Locken, die er mit einem Haarband zu bändigen versuchte, und das süßeste Lächeln, das ich je bei einem Jungen gesehen habe. Es galt allerdings nicht mir, sondern der netten Spanischlehrerin, die ihn irgendetwas gefragt hatte. Er gab ihr Auskunft und balancierte die leeren Servierschüsseln dann wie ein Artist in die Küche zurück. Ich starrte noch mindestens zehn Minuten auf die Schwenktür, doch sie blieb zu.
Und nun? Irgendwie war ich verwirrt. Wer war dieser Traumprinz? Ich konnte ja schlecht in die Küche marschieren und fragen, wie er hieß. Luise hätte bestimmt einen Rat gewusst.
Mama seufzte. »Er kommt schon noch mal zurück.«
Da war ich mir nicht so sicher. Vielleicht hatte ich ja auch nur eine Erscheinung gehabt.
Schließlich vereitelte der Reiseleiter alle Möglichkeiten für weitere Erkenntnisse, indem er verkündete: »Ich denke, wir setzen uns jetzt auf die Terrasse hinaus. Da stören wir die Kellner nicht beim Abräumen.« Er zwinkerte Mama zu und marschierte schon mal los.
Die Studienräte folgten ihm. Als ich mit Mama auf die Terrasse kam, waren schon alle Plätze belegt, nur beim Reiseleiter war noch einer frei. Mama zuckte die Schultern und bugsierte mich Richtung Blumenrabatte, wo wir uns beide auf die Holzkante eines Oleanderkübels setzten.
Im selben Moment brach eine ohrenbetäubende Musik aus den Terrassenlautsprechern los. Luise hatte mich ja gewarnt: Die Griechen seien ganz verrückt nach Tanzen. Aber zum Glück hatten die Lehrer keine Lust und allein wollte Mama auch nicht. So hockten wir beide auf der Holzkante und nippten an unseren Gläsern. Ich schielte immer wieder zur Küchentür, aber der Prinz blieb verschwunden.
Dafür kam der Reiseleiter auf die glorreiche Idee, dass wir doch einen Stuhlkreis bilden könnten, damit niemand ausgeschlossen würde. Damit meinte er wahrscheinlich Mama. Keine Ahnung, was er sich ausgedacht hatte, vielleicht irgendwelche Kennenlernspielchen. Zadek grinste mich an. Na, wenigstens der hatte seine gute Laune wieder.
Dann musste tatsächlich jeder seinen Namen aufsagen, woher er kam und welche Wünsche er hinsichtlich dieser Reise hatte. Das machten Lehrer also in ihren Ferien: Kinderkreisspiele! Ich konnte es kaum glauben. Aber alle antworteten artig wie im Kindergarten und manche schienen es gar nicht abwarten zu können, bis sie endlich dran waren.
Mein Gott, ich war umgeben von Direktoren, Physiklehrern, Lateinern und Sportspinnern aus ganz Deutschland. Mama neben mir wurde immer
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