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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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nicht hineingeschaut.«
    »Da - da . . .«
    Er wies auf eine kleine Notiz. Ich las:
    »Verlobung. Die Opernsängerin Eva Bunkert, Tochter unseres verflossenen Baurats August Bunkert, hat sich mit dem Grafen Hanns von Simmern, Sohn des herzoglichen Kammerherrn Grafen Eugen von Simmern, verlobt. - Eine rasche Künstlerkarriere !«
    »Da haben wir’s«, sagte ich. »Die Sache ist in der Tat sehr rasch gegangen.«
    »Rasch gegangen! Ist das alles, was Sie zu dieser Schandtat zu sagen wissen?« brüllte Stefenson.
    »Ja, was soll ich in meiner Überraschung dazu sagen? Es tut mir natürlich leid um Sie!«
    »Leid! Ich brauche Ihnen nicht leid zu tun. Niemand brauche ich leid zu tun. Ich verbitte mir das! Denn ich kann froh sein, daß ich diese Gans los bin. Ich bin auch ganz kolossal froh. Nach kaum vier Wochen ist dieses flattrige Ding mit ihrer Lebenswahl fertig. Von einem zum andern. Immer zu, immer zu! Was verliere ich dabei? Weil er ein Graf ist, weil sie sich bei ihm in Taschentücher mit einer neunzackigen Krone die Nase schneuzen kann, deshalb gibt sie mich auf. Einen Mann wie mich, der diese bankerotte Bauratstochter gegen alle Vernunftsgründe geliebt hat und sie heiraten wollte, gibt sie auf!«
    Er sank in einen Stuhl. Sein Schmerz war maßlos. Aber ich blieb kühl.
    »Lieber Freund«, sagte ich, »es ist sicher für unsere Gründung ganz gut, wenn Sie familienlos bleiben, wenn Sie Ihre Selbständigkeit, den ruhigen, klaren Blick . . .«
    »Halten Sie den Mund! Kommen Sie mir nicht mit solchem Blödsinn. Satt hab’ ich’s, satt! Meinetwegen mag die ganze Geschichte hier zum Teufel gehen. Mir liegt an nichts mehr etwas, an gar nichts mehr!«
    Er wand sich in dem Lehnstuhl, in dem er saß, wie in Krämpfen. Ich stellte mich ans Fenster und zündete mir eine Zigarre an. Da knirschte er: »Sprechen Sie wenigstens; sagen Sie etwas zu mir. Das kann ich doch wohl verlangen.«
    »Sie lassen mich ja nicht zu Worte kommen, Stefenson. Und dann, ich weiß selbst nicht, was ich zu der Sache sagen soll.«
    »Jawohl, Sie machen sich eben nichts aus mir. Sonst könnten Sie sich jetzt nicht so pomadig eine Zigarre anzünden. Schöner Freund! Glauben Sie denn, daß sie mit diesem Grafen, diesem neunmal gehörnten Kerl, glücklich sein wird?«
    »Das kann ich nicht beurteilen.«
    »Das müssen Sie beurteilen können! Sie müssen wissen, daß solche sogenannten Mesalliancen nie zum Glück führen, daß dieses Weib im Hause ihres gräflichen Gatten als Eindringling entweder gar nicht zugelassen oder sub Luder behandelt werden wird, daß der Mann ihrer überdrüssig sein wird, wenn ihre Schönheit verblüht, daß sie dann im Elend sitzen wird.«
    »Das kann schon alles so kommen, es kann aber auch anders sein. Es kommt ganz auf den Mann an. Prophezeien kann dann niemand, höchstens unsere alte Wahrsagerin unten in Waltersburg.«
    »Wollen Sie mich verspotten? Sich über mich lustig machen? Ist das Ihre Freundschaft?« Er war wütend.
    »Lieber Stefenson, Sie sind jetzt sehr aufgeregt. Was immer ich auch jetzt sagen möchte, würde Ihnen nicht gefallen. Warten wir also ab, bis Sie sich etwas beruhigt haben, und daß Sie dann ganz auf mich rechnen können, wissen Sie ja doch!«
    »Ich werde mich nie beruhigen«, sagte er. »Über das komme ich nicht weg!«
    Wohl zehn Minuten vergingen, während deren Stefenson im Zimmer auf und ab schritt. Manchmal blieb er stehen, sprach leise mit sich selbst oder fuchtelte mit seinen langen Armen durch die Luft. Endlich fragte er:
    »Was ist das mit der Wahrsagerin in Waltersburg, die Sie erwähnten?«
    »Ah, Stefenson, das war doch nur Scherz. Es wohnt da unten im alten Zollhaus, kaum dreihundert Meter unter unserem Grundhof am Waltersburger Weg, ein Weib, das schon uralt war, als ich noch in kurzen Hosen ging. Sie nennt sich nach ihrem Beruf Sibylle. Wie sie eigentlich heißt, wie alt sie ist, weiß kein Mensch. Für fünfundzwanzig Pfennig prophezeit sie den Bürgern, Bauern und Köchinnen die Zukunft.«
    »Und stimmt es, was sie sagt?«
    »Ja, das weiß ich nicht. Ich hab’ mich um das alte Fernrohr in die Zukunft nicht gekümmert. Als Jungen haben mal Joachim und ich fünfundzwanzig Pfennig zusammengeschossen und uns weissagen lassen. Da hat sie gesagt, wir würden bald eine mächtige Tracht Prügel bekommen. Und das ist auch eingetroffen. Es kam nämlich heraus, daß wir die fünfundzwanzig Pfennig zur Sibylle getragen hatten, und wir bekamen Prügel dafür.« Ich wußte, daß Stefenson

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