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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Edgars durch die Steine gegangen war. Allerdings verfolgten ihn die Bilder in Alpträumen.
    »Es ist, als würde man auseinandergerissen, nicht wahr?«
    Er ließ Claire nicht aus den Augen. »Als würde an einem gezogen und gezerrt, nicht nur von außen, sondern auch von innen, und man denkt, jeden Augenblick zerspringt einem der Schädel.« Er schüttelte sich. Claire war blaß geworden.
    »Ich wußte nicht, daß Sie die Steine hören konnten«, sagte sie. »Das haben Sie mir nicht erzählt.«
    »Es schien mir auch nicht wichtig.« Er sah sie schweigend an. »Brianna hat sie auch gehört.«
    »Aha.« Sie wandte sich um und sah wieder auf den See, wo ihr Boot eine keilförmige Spur auf dem Wasser hinterließ. Weiter hinten wurden die glitzernden Wellen eines größeren Bootes von den Felswänden zurückgeworfen. In der Mitte des Sees trafen sie wieder zusammen und bildeten eine längliche, ungetüme Form - eine stehende Welle, jenes Naturereignis, das oft fälschlicherweise für das Ungeheuer von Loch Ness gehalten wurde.
    »Es existiert wirklich«, sagte sie plötzlich und wies auf die schwarze Wasserfläche.
    Roger hatte schon den Mund geöffnet, um sie zu fragen, was sie meinte. Doch plötzlich wußte er, wovon sie sprach. Die meiste Zeit seines Lebens hatte er in der Nähe des Loch Ness verbracht, hatte im Winter darin Aale und Lachse geangelt, hatte jede nur denkbare Geschichte über das »furchterregende Ungeheuer« gehört, die in den Kneipen erzählt wurde, und darüber gelacht.
    Vielleicht lag es an den ungewöhnlichen Umständen - da saßen sie und besprachen allen Ernstes, ob die Frau neben ihm das Wagnis eingehen und sich in eine unbekannte Vergangenheit katapultieren lassen sollte. Ihm war zwar nicht klar, woher er die Gewißheit nahm, doch plötzlich schien es ihm nicht nur möglich, sondern sogar sicher, daß sich in den dunklen Wassern des Loch Ness eine unbekannte, aber durchaus lebendige Bestie verbarg.
    »Was glauben Sie, was es ist?« fragte er.
    Claire beugte sich über den Bootsrand und betrachtete angelegentlich einen Holzstamm, der vorbeitrieb.

    »Das, was ich gesehen habe, war womöglich ein Plesiosaurier«, sagte sie schließlich, den Blick in weite Ferne gerichtet. »Obwohl ich mir damals keine Aufzeichnungen gemacht habe.« Sie verzog den Mund.
    »Wie viele Steinkreise gibt es in England und Europa?« fragte sie unvermittelt. »Wissen Sie das?«
    »Nicht genau. Aber vielleicht ein paar hundert«, antwortete er vorsichtig. »Glauben Sie, daß die alle…«
    »Woher soll ich das wissen?« unterbrach sie ihn ungeduldig. »Jedenfalls könnten sie es sein. Man hat sie errichtet, um irgend etwas zu markieren, also gibt es vielleicht verdammt viele Plätze, wo dieses Irgendwas geschehen kann.« Sie wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht und lächelte ihn schief an.
    »Immerhin wäre das eine Erklärung.«
    »Wofür?«
    Roger wurde fast schwindelig bei der Art, wie sie ständig das Thema wechselte.
    »Für die Ungeheuer.« Sie wies auf das Wasser. »Vielleicht gibt es ja unter dem See auch eine von diesen… diesen Stellen.«
    »Einen Zeittunnel, einen Übergang oder so was?« Roger verschlug es beinahe die Sprache.
    »Das würde vieles erklären.« Ein verstecktes Lächeln spielte um ihre Lippen. Roger wußte nicht, ob sie sich über ihn lustig machte oder nicht. »Am nächsten kommen dem Ungeheuer die Gattungen, die seit Hunderttausenden von Jahren ausgestorben sind. Aber wenn es unter dem See einen Zeittunnel gibt, wären alle Rätsel gelöst.«
    »Das würde auch erklären, warum die Berichte manchmal nicht übereinstimmen«, meinte Roger, der sich immer mehr für diese Idee erwärmte. »Es kommen immer andere zu uns herüber.«
    »Und damit wäre klar, warum sie bis jetzt nicht gefangen werden konnten, obwohl sie so oft gesehen wurden. Vielleicht gehen sie immer wieder zurück, sind also die meiste Zeit nicht hier im See.«
    »Eine tolle Theorie!« staunte Roger. Claire und er grinsten einander an.
    »Ich glaube aber nicht«, gab Claire zu bedenken, »daß sie sich je durchsetzen wird.«

    Roger lachte und hob einen Krebs aus dem Wasser. Dabei fielen ein paar Wassertropfen auf Briannas Gesicht. Sie schnaubte, fuhr auf, blinzelte und ließ sich zurückfallen. Binnen Sekunden war sie wieder in tiefen Schlaf gesunken.
    »Sie ist gestern lange aufgeblieben und hat mir geholfen, das Paket mit den letzten Unterlagen für die Universität von Leeds zu packen, die wir zurückschicken wollen«,

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