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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wieder hörte man gedämpfte Schritte oder Stimmen von unten, ein tiefes, männliches Lachen oder die hohe, kokette Stimme einer Frau, die mit einem Freier schäkerte.
    Als Jamie das hörte, regte er sich unbehaglich.
    »Vielleicht hätte ich dich doch lieber in eine Taverne bringen sollen«, sagte er. »Es ist nur…«
    »Ist schon gut«, beruhigte ich ihn. »Obwohl ich sagen muß, daß es mich doch überrascht, in einem Bordell gelandet zu sein.« Ich zögerte, wollte nicht aufdringlich sein, aber schließlich siegte die Neugier. »Du… du bist doch nicht etwa der Besitzer von diesem Haus, Jamie?«
    »Ich? Gott im Himmel, Sassenach, für wen hältst du mich eigentlich?«
    »Wie soll ich das wissen?« sagte ich ein wenig schroff.

    »Gut, ich bin kein Heiliger, Sassenach«, sagte er. »Aber ein Zuhälter bin ich auch nicht.«
    »Freut mich zu hören.« Nach einer kurzen Pause sagte ich: »Hast du vor, mir zu sagen, was du wirklich bist, oder soll ich noch ein paar anrüchige Berufe aufzählen, bis ich die Wahrheit errate?«
    »Aye?« Diesen Vorschlag fand er anscheinend unterhaltsam. »Rate doch mal.«
    Ich betrachtete ihn aufmerksam. Er lag entspannt im zerwühlten Bett, einen Arm unterm Kopf, und grinste mich an.
    »Ich würde mein Hemd verwetten, daß du kein Drucker bist«, sagte ich.
    Das Grinsen wurde breiter.
    »Warum nicht?«
    Ich stieß ihm unsanft in die Rippen. »Dafür bist du viel zu gut in Form. Die meisten Männer in den Vierzigern bekommen ein Bäuchlein, und du hast kein Gramm zuviel auf den Rippen.«
    »Das liegt vor allem daran, weil niemand für mich kocht«, erklärte er wehmütig. »Wenn du immer in Tavernen essen müßtest, würdest du auch kein Fett ansetzen. Zum Glück sieht es so aus, als bekämst du regelmäßig zu essen.« Er tätschelte vertraulich mein Hinterteil und wich lachend aus, als ich nach seiner Hand schlug.
    »Versuch nicht, mich abzulenken«, sagte ich würdevoll. »Jedenfalls hast du diese Muskeln nicht an der Druckerpresse bekommen.«
    »Hast du je an einer gearbeitet, Sassenach?« Er zog spöttisch die Brauen hoch.
    »Nein.« Nachdenklich runzelte ich die Stirn. »Ich nehme nicht an, daß du dich auf Wegelagerei verlegt hast?«
    »Nein«, erwiderte er mit breitem Grinsen. »Rat noch mal.«
    »Unterschlagung.«
    »Nein.«
    »Entführung sicher nicht«, sagte ich, die Möglichkeiten an den Fingern abzählend. »Diebstahl? Nein. Wucher? Das wohl kaum.« Ich ließ die Hand sinken und starrte ihn an.
    »Früher warst du ja ein Verräter, aber davon kann man ja schlecht leben.«
    »Oh, ein Verräter bin ich immer noch«, versicherte er mir. »Ich bin nur in letzter Zeit nicht verurteilt worden.«

    »In letzter Zeit ? «
    »Ich bin mehrere Jahre wegen Hochverrats im Gefängnis gesessen, Sassenach«, entgegnete er verbittert. »Wegen des Aufstands. Aber das ist schon eine Weile her.«
    »Ja, das hab’ ich gewußt.«
    Er machte große Augen. »Du hast es gewußt?«
    »Nicht nur das«, sagte ich. »Das erzähle ich dir später. Aber um zu dem Punkt zurückzukehren, um den es geht - womit verdienst du dir nun dein Geld?«
    »Ich bin Drucker«, erwiderte er grinsend.
    » Und ein Verräter?«
    »Und ein Verräter.« Er nickte. »In den letzten zwei Jahren wurde ich sechsmal wegen Aufwiegelung verhaftet, und mein Geschäft wurde zweimal beschlagnahmt, aber das Gericht konnte nichts beweisen.«
    »Und was droht dir, wenn sie doch einmal etwas beweisen können?«
    »Ach«, meinte er lässig und fuchtelte mit der Hand durch die Luft, »der Pranger. Ohr annageln, Auspeitschung. Deportation. So etwas. Hängen werden sie mich wahrscheinlich nicht.«
    »Das ist ja ein Trost«, bemerkte ich trocken. Mir war ein wenig flau. Ich hatte nicht versucht, mir sein Leben vorzustellen. Nun, da ich es erfuhr, war ich betroffen.
    »Ich habe dich gewarnt.« Sein Tonfall war nun ernst geworden, und er sah mich aus dunkelblauen Augen forschend an.
    »Das stimmt.« Ich holte tief Luft.
    »Willst du jetzt gehen?« fragte er fast beiläufig, aber ich sah, wie sich seine Finger so fest um eine Falte in der Bettdecke schlossen, daß seine Knöchel weiß hervortraten.
    »Nein.« Ich lächelte ihn an, so gut ich konnte. »Ich bin nicht zurückgekommen, um ein einziges Mal bei dir zu liegen. Ich bin gekommen, um bei dir zu bleiben… wenn du mich haben willst«, schloß ich zögernd.
    »Wenn ich dich haben will!« Seufzend setzte er sich mit gekreuzten Beinen im Bett auf, um mich anzusehen. Er nahm meine

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