Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
der Schlaf übermannte, nahm ich das Bild seines schönen, lächelnden Mundes mit in meine Träume.

26
    Hurenfrühstück
    Da ich es als Mutter und Ärztin seit Jahren gewohnt war, allzeit verfügbar zu sein, hatte ich die Fähigkeit entwickelt, selbst aus dem Tiefschlaf heraus sofort hellwach zu werden. So erwachte ich auch jetzt und nahm die zerschlissenen Leintücher um mich herum wahr und das Tropfen aus der Traufe draußen vor dem Fenster und den warmen Geruch von Jamies Körper, der sich mit der kühlen, frischen Luft mischte, die durch den Spalt in den Fensterläden über mir hereinwehte.
    Jamie lag nicht mehr im Bett, das wußte ich ganz instinktiv. Doch weit weg konnte er nicht sein, denn ich hörte ein leises Scharren. Ich drehte mich um und öffnete die Augen.
    Das Zimmer war von grauem Licht erfüllt, das allen Dingen die Farbe nahm, aber die Umrisse seines Körpers konnte ich klar erkennen. Von dem dunklen Hintergrund hob er sich ab wie eine Elfenbeinstatue. Er war nackt und hatte mir den Rücken zugewandt, da er vor dem Nachttopf stand, den er gerade unter dem Waschtisch hervorgezogen hatte.
    Ich bewunderte die Rundung seiner Pobacken mit der kleinen muskulösen Vertiefung und ihre blasse Verletzlichkeit. Die Furche seines Rückgrats zog sich in einer weichen Kurve von den Hüften bis zu den Schultern. Als er sich bewegte, fing sich das Licht in den silbrig schimmernden Narben auf seinem Rücken, und mir stockte der Atem.
    Dann wandte er sich um, das Gesicht ruhig und gedankenverloren. Verblüfft bemerkte er, daß ich ihn beobachtete.
    Ich lächelte, sagte aber nichts, da mir einfach nichts einfiel. Doch ich sah ihn unverwandt an, und er erwiderte meinen Blick und lächelte gleichfalls. Wortlos trat er zu mir und setzte sich aufs
Bett. Er legte seine offene Hand auf die Decke, und ich schob die meine ohne Zögern hinein.
    »Gut geschlafen?« fragte ich blöde.
    Aus dem Lächeln wurde ein Grinsen. »Nein«, sagte er. »Und du?«
    »Auch nicht.« Obwohl es im Zimmer kalt war, strahlte sein Körper Hitze aus. »Frierst du nicht?«
    »Nein.«
    Wir schwiegen wieder, konnten aber den Blick nicht voneinander wenden. Allmählich wurde es heller, und ich betrachtete ihn eingehend und verglich die Erinnerung mit der Wirklichkeit. Ein erster Sonnenstrahl drang durch den Spalt in den Fensterläden und ließ eine Haarlocke von ihm aufleuchten wie frisch polierte Bronze. Er kam mir ein wenig größer vor, als ich ihn in Erinnerung hatte, und sehr viel wirklicher.
    »Du bist größer, als ich gedacht habe«, bemerkte ich. Er neigte den Kopf zur Seite und sah mich amüsiert an.
    »Und du bist ein bißchen kleiner, glaube ich.«
    Behutsam schlossen sich seine Finger um mein Handgelenk. Mein Mund war trocken, ich schluckte und fuhr mir mit der Zunge über die Lippen.
    »Vor langer Zeit hast du mich gefragt, ob das, was zwischen uns ist, üblich ist«, sagte ich.
    Seine Augen ruhten auf mir; im Morgenlicht sahen sie fast schwarz aus.
    »Ich erinnere mich«, erwiderte er leise. Sein Griff wurde ein wenig fester. »Was das ist - wenn ich dich berühre, wenn du bei mir liegst.«
    »Ich habe gesagt, ich weiß es nicht.«
    »Ich wußte es auch nicht.« Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel.
    »Ich weiß es immer noch nicht«, sagte ich. »Aber…« Ich räusperte mich.
    »Aber es ist immer noch da«, beendete er meinen Satz, und das Lächeln leuchtete nun auch aus seinen Augen. »Aye?«
    Das stimmte. Ich spürte seine Anwesenheit immer noch so überdeutlich wie eine brennende Dynamitstange in unmittelbarer Nähe, aber das Gefühl hatte sich verändert. Wir waren eingeschlafen
als ein Fleisch, vereint durch die Liebe zu dem Kind, das wir gezeugt hatten, und waren als zwei Menschen erwacht - die nun durch etwas anderes verbunden waren.
    »Ja. Ist es… ich meine, es ist nicht nur wegen Brianna, was glaubst du?«
    »Ob ich dich will, weil du die Mutter meines Kindes bist?« Ungläubig zog er die Brauen hoch. »Nein. Nicht, daß ich nicht dankbar wäre«, fügte er hastig hinzu. »Aber… nein. Ich glaube, ich könnte dich stundenlang ansehen, Sassenach, um zu sehen, wie du dich verändert hast und was an dir noch so ist wie früher. Nur so eine Kleinigkeit wie die Linie von deinem Kinn…« - sanft streichelte er meine Wange und ließ seine Hand nach oben wandern, bis mein Kopf darin ruhte, während er mit dem Daumen mein Ohrläppchen liebkoste - »Oder deine Ohren und die winzigen Löcher für deine Ohrringe. Das ist alles

Weitere Kostenlose Bücher