Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
nehme ich an, daß sie sich freigenommen hat.« Sie sah Ian an, der in den Kissen lehnte wie eine Vogelscheuche, aus der man die Strohfüllung genommen hat. »Soll ich für den jungen Herrn einen Schlafplatz besorgen?«
    »Aye.« Jamie warf seinem Neffen einen fürsorglichen Blick zu. »Ich denke, Sie können ein Feldbett in mein Zimmer stellen.«
    »Aber nein!« platzte Ian heraus. »Du willst doch sicher mit deiner Frau allein sein, Onkel?«
    »Was?« Jamie starrte ihn verständnislos an.
    »Na, ich meine…« Ian zögerte, sah mich an und senkte dann den Blick. »Ich meine, zweifellos willst du… mmmpf?« Als Kind des schottischen Hochlands verstand er es, dem letzten Laut einen erstaunlichen Reichtum unfeiner Bedeutungen zu verleihen.

    Jamie fuhr sich mit der Hand über die Lippen.
    »Das ist sehr aufmerksam von dir, Ian«, sagte er, nur mühsam das Lachen unterdrückend. »Und es schmeichelt mir sehr, daß du eine so hohe Meinung von meiner Manneskraft hast und meinst, ich wäre nach einem Tag wie dem heutigen im Bett noch zu etwas anderem fähig, als zu schlafen. Aber ich glaube, ich kann die Befriedigung meiner fleischlichen Gelüste noch einen Tag aufschieben - so gern ich deine Tante mag«, fügte er hinzu und lächelte mich an.
    »Aber Bruno sagt, daß heute abend nicht viel los ist«, warf Fergus ein und sah sich verblüfft um. »Warum soll der Junge nicht…«
    »Weil er erst vierzehn ist, um Himmels willen!« sagte Jamie empört.
    »Fast fünfzehn!« korrigierte ihn Ian und setzte sich interessiert auf.
    »Das ist gewiß alt genug.« Wie um Unterstützung heischend sah Fergus Madame Jeanne an. »Deine Brüder waren auch nicht älter, als ich sie zum erstenmal hierherbrachte, und sie haben sich mannhaft bewährt.«
    »Du hast was getan?« Jamie starrte seinen Schützling entsetzt an.
    »Jemand mußte es ja tun«, meinte Fergus ein wenig ungeduldig. »Normalerweise ist es Sache des Vaters - aber natürlich ist der Herr nicht - ich will natürlich nichts Unhöfliches über deinen geschätzten Vater sagen.« Er nickte Ian zu, der das Nicken mechanisch erwiderte. »Aber um das richtig zu beurteilen, braucht man etwas Erfahrung, verstehen Sie?«
    »Nun…« - er wandte sich mit der Miene eines Gourmets, der den Weinkellner konsultiert, an Madame Jeanne - »Dorcas, was meinen Sie, oder Penelope?«
    »Nein, nein.« Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Es muß die zweite Mary sein und keine andere. Die kleine.«
    »Ach, die Blonde? Ja, ich glaube, Sie haben recht«, stimmte Fergus zu. »Holen Sie sie also.«
    Jeanne war verschwunden, bevor Jamie mehr als ein heiseres Krächzen herausbrachte.
    »Aber… aber… der Junge kann doch nicht…«, fing er an.
    »Doch, ich kann«, sagte Ian. »Zumindest glaube ich, daß ich
kann.« Er hätte kaum noch mehr erröten können, aber seine Ohren glühten vor Aufregung. Die traumatischen Ereignisse des Tages waren völlig vergessen.
    »Aber… ich wollte sagen… ich kann nicht zulassen, daß du…« Jamie hielt inne und starrte seinen Neffen wütend an. Schließlich hob er ärgerlich, aber resigniert die Hände.
    »Und was soll ich deiner Mutter erzählen?« fragte er, als sich die Tür hinter ihm öffnete.
    Im Türrahmen stand ein junges Mädchen. Sie war recht klein, rundlich und wirkte weich und sanft wie ein Rebhuhn in ihrem blauen Seidenhemd, und ihr liebliches Gesicht strahlte unter einer Wolke von blondem Haar. Bei ihrem Anblick verschlug es Ian den Atem.
    Als er sich entscheiden mußte, ob er lieber sterben oder weiteratmen wollte, holte er Luft und sah Jamie an. Mit einem überaus freundlichen Lächeln sagte er: »Also, Onkel Jamie, wenn ich du wäre…« - seine Stimme geriet in eine beängstigend hohe Tonlage, und er räusperte sich, bevor er in einem anständigen Bariton weitersprach -, »würde ich gar nichts sagen. Gute Nacht, Tante«, verabschiedete er sich und marschierte zielstrebig auf die Tür zu.
     
    »Ich weiß nicht recht, ob ich Fergus lieber umbringen oder ihm danken soll.« Jamie saß auf dem Bett in unserer Dachstube und knöpfte bedächtig sein Hemd auf.
    Ich legte das feuchte Kleid auf den Schemel und kniete vor ihm nieder, um die Schnallen an seinen Kniehosen zu öffnen.
    »Ich glaube, er wollte Ian einfach etwas Gutes tun.«
    »Aye - auf seine verdammt unmoralische französische Art.« Jamie griff nach dem Band, das seine Haare zusammenhielt. Nachdem wir bei Moubray’s eingekehrt waren, hatte er sie nicht wieder geflochten, und nun fielen

Weitere Kostenlose Bücher