Ferne Ufer
Schneider an der Ecke Branntwein verkaufe. Sir Percival hat ein Auge für schöne Stoffe, und seine Frau erst recht. Aber er hat keine Ahnung, in welchem Ausmaß ich mit Schnaps handle, sonst würde er viel mehr verlangen als das bißchen Spitze und Seide, das kannst du mir glauben.«
»Vielleicht hat einer der Gastwirte dem Seemann von dir erzählt - gewiß haben sie dich gesehen.«
Nachdenklich fuhr er sich mit der Hand durch die Haare.
»Aye, die kennen mich«, erwiderte er bedächtig, »aber nur als Kunden. Fergus regelt das Geschäftliche mit den Tavernen - und Fergus zeigt sich nie in der Nähe der Druckerei. Er trifft mich immer hier, und zwar heimlich.« Er setzte sein Gaunergrinsen auf. »Niemand fragt lange, warum ein Mann ein Bordell aufsucht, aye?«
Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Könnte es nicht sein, daß der Seemann, dem Ian gefolgt ist, dich hier gesehen hat - dich und Fergus? Vielleicht hat ihm auch eins der Mädchen geschildert, wie du
aussiehst? Schließlich bist du nicht gerade der unauffälligste Mensch, der mir je über den Weg gelaufen ist.« Das war er wahrhaftig nicht. In Edinburgh mochte es jede Menge rothaariger Männer geben, aber wenige waren so hünenhaft wie Jamie, und kaum einer schritt mit der unbewußten Arroganz des entwaffneten Kriegers durch die Straßen.
»Das ist ein guter Gedanke, Sassenach.« Er nickte mir zu. »Es läßt sich gewiß leicht nachprüfen, ob in letzter Zeit ein einäugiger Seemann mit Zopf hier war. Ich werde Jeanne bitten, die Mädchen zu fragen.«
Er stand auf und streckte sich, so daß seine Hände fast die hölzernen Deckenbalken berührten.
»Und dann, Sassenach, sollten wir vielleicht ins Bett gehen, aye?« Er zwinkerte mir zu. »Irgendwie war heute ein verdammt aufregender Tag, oder?«
»Das kann man nicht leugnen.« Ich lächelte ihn an.
Jamie hatte Jeanne rufen lassen, und sie trat gemeinsam mit Fergus ein, der ihr ungezwungen wie ein Bruder oder Cousin die Tür aufhielt. Es war kein Wunder, daß er sich hier zu Hause fühlte; schließlich war er in einem Pariser Bordell zur Welt gekommen und hatte dort die ersten zehn Jahre seines Lebens verbracht. Er hatte in einer Kammer unter der Treppe geschlafen, wenn er sich nicht gerade auf der Straße herumtrieb und die Taschen der Passanten leerte.
»Der Branntwein ist fort«, berichtete er. »Ich habe ihn an Mac-Alpine verkauft - leider mit einem kleinen Preisnachlaß. Ich hielt es für besser, ihn schnell abzustoßen.«
»Es ist besser, ihn aus dem Haus zu haben«, nickte Jamie. »Was hast du mit der Leiche gemacht?«
Ein Lächeln huschte über Fergus’ schmales Gesicht; so hatte ich mir immer einen Piraten vorgestellt.
»Unser Störenfried ist ebenfalls in MacAlpines Taverne gewandert, Mylord - unauffällig verkleidet.«
»Als was?« fragte ich.
Nun bedachte er mich mit seinem piratenhaften Grinsen. Aus Fergus war ein schöner Mann geworden - dem tat selbst der Haken an seinem Arm keinen Abbruch.
»Als ein Faß voll crème de menthe , Mylady«, erwiderte er.
»Ich glaube nicht, daß in Edinburgh in den letzten hundert Jahren jemand auf die Idee gekommen ist, crème de menthe zu trinken«, bemerkte Madame Jeanne. »Die heidnischen Schotten sind es nicht gewöhnt, einen anständigen Likör zu trinken. Ich habe noch nie erlebt, daß ein Kunde hier etwas anderes als Whisky, Bier oder Branntwein bestellt hätte.«
»So ist es, Madame«, nickte Fergus. »Wir wollen schließlich vermeiden, daß Mr. MacAlpines Schankkellner das Faß anstechen, nicht wahr?«
»Bestimmt wird jemand früher oder später das Faß öffnen«, sagte ich. »Ich möchte nicht unfein sein, aber…«
»Sie haben recht, Madame«, erwiderte Fergus mit einer höflichen Verbeugung in meine Richtung. » Crème de menthe hat zwar einen sehr hohen Alkoholgehalt, aber der Keller der Taverne ist nur ein Rastplatz für unseren unbekannten Freund. Morgen wird er zum Hafen gebracht, und von dort geht es weiter in die Ferne. Ich wollte nur vermeiden, daß er in Madame Jeannes Haus Platz wegnimmt.«
Jeanne richtete ein französisches Stoßgebet an die heilige Agnes, dann wandte sie sich mit Achselzucken zur Tür.
»Ich werde les filles morgen nach diesem Seemann befragen, wenn sie Muße haben. Denn jetzt…«
»Da wir von Muße sprechen«, fiel ihr Fergus ins Wort, »kann es sein, daß Mademoiselle Sophie heute abend frei ist?«
Madame Jeanne musterte ihn amüsiert. »Da Sophie Sie hat hereinkommen sehen, mon petit saucisson ,
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