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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einem Felsvorsprung, von dem aus wir aufs Meer hinausblicken konnten.
    Unter uns fielen die Felsen zu einem flachen Becken ab, einer zerbrochenen Tasse, angefüllt mit Dunkelheit, und vom abgebrochenen
Rand, dort, wo sie sich zum Meer hin öffnete, strömte das Licht des Wassers herein. Einmal erspähte ich eine winzige Bewegung, das Glitzern einer Metallschnalle, aber meist waren die zehn Männer dort unten vollkommen unsichtbar.
    Ich hielt Ausschau nach Mr. Willoughby mit seiner Laterne, sah aber nicht den geringsten Lichtschimmer und folgerte, daß er hinter der Laterne stand und sie so vor den Klippen abschirmte.
    Ian neben mir versteifte sich plötzlich.
    »Es kommt jemand!« flüsterte er. »Schnell, hinter mich!« Mutig trat er nach vorn, griff in sein Hemd und zog unter seinem Hosenbund eine Pistole hervor. Ich sah den matten Widerschein des Sternenlichts auf der Trommel.
    Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und spähte, die Waffe mit beiden Händen umklammernd, hinaus in die Dunkelheit.
    »Schieß nicht, um Himmels willen«, zischte ich ihm ins Ohr. Ich hatte panische Angst, daß er ein Geräusch machen könnte, das die Aufmerksamkeit auf die Männer unter uns lenken würde.
    »Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du dem Rat deiner Tante folgtest, Ian.« Jamies leise, ironische Stimme drang über den Rand der Klippe zu uns herauf. »Es wäre mir lieber, wenn du mir nicht den Kopf wegschießt, aye?«
    Ian ließ die Pistole sinken und sank mit einem Seufzer der Erleichterung oder der Enttäuschung in sich zusammen. Die Stechginsterbüsche zitterten, dann stand Jamie vor uns und bürstete sich die Dornen von den Ärmeln.
    »Hat dir denn niemand gesagt, daß du keine Waffe mitbringen darfst?« fragte Jamie milde. »Wer gegen einen Beamten der königlichen Zollbehörde die Waffe zieht, landet am Galgen«, erklärte er mir. »Keiner der Männer trägt eine Waffe, nicht mal ein Fischmesser, für den Fall, daß sie geschnappt werden.«
    »Aye, Fergus hat gesagt, daß sie mich nicht aufhängen, weil ich noch keinen Bart habe«, meinte Ian verlegen. »Man würde mich nur deportieren.«
    »Na«, entgegnete Jamie ungehalten, »ich bin sicher, daß deine Mutter hocherfreut sein wird zu erfahren, daß du in die Kolonien verschickt worden bist!« Er streckte die Hand aus. »Gib her, du Narr.«
    Er wog die Pistole in seiner Hand. »Wo hast du die überhaupt
her?« fragte er. »Und auch schon geladen. Ich wußte doch, daß ich Schießpulver gerochen hatte!«
    Bevor Ian antworten konnte, deutete ich aufs Meer hinaus. »Seht!«
    Das französische Schiff war kaum mehr als ein winziger Fleck auf dem Antlitz des Meeres, aber seine Segel schimmerten blaß im Sternenlicht. Die zweimastige Ketsch glitt langsam an der Klippe vorbei und lag seewärts an, still wie eine Wolke am Horizont.
    Jamie beobachtete nicht das Schiff, sondern sah nach unten zu einer Stelle, kurz vor dem Sandstreifen, wo der glatte Felsboden in einen Haufen zerklüfteter Findlinge überging. Seinem Blick folgend, erspähte ich dort einen winzigen Lichtpunkt. Mr. Willoughby mit der Laterne.
    Ein jäher Lichtstrahl huschte über die nassen Felsen und erlosch. Ian umklammerte meinen Arm. Wir warteten mit angehaltenem Atem, bis nach etwa dreißig Sekunden ein weiterer Lichtblitz über den Sandstreifen glitt.
    »Was war das?« sagte ich.
    »Was?« Jamie sah mich nicht an, sondern hielt nach dem Schiff Ausschau.
    »Am Strand, als das Licht aufleuchtete. Ich habe etwas im Sand gesehen. Es hat ausgesehen wie…«
    Da kam der dritte Lichtblitz, und einen Augenblick später folgte das Antwortsignal vom Schiff - eine blaue Laterne, ein gespenstischer Lichtpunkt am Mast, der sich im Wasser spiegelte.
    Da ich ebenso aufgeregt wie die beiden anderen das Schiff beobachtete, vergaß ich das achtlos im Sand eingebuddelte Kleiderbündel, das ich eben gesehen zu haben glaubte. Nun bewegte sich etwas, und man hörte ein gedämpftes Platschen, als etwas ins Wasser geworfen wurde.
    »Die Flut setzt ein«, flüsterte mir Jamie ins Ohr. »Die Fässer treiben im Wasser, der Gezeitenstrom trägt sie in wenigen Minuten ans Ufer.«
    Damit war das Problem des Ankerplatzes gelöst, das Schiff brauchte keinen. Aber wie erfolgte die Bezahlung? Ich wollte gerade danach fragen, als wir einen Ruf hörten und unten am Strand die Hölle losbrach.
    Jamie bahnte sich sofort einen Weg durch die Stechginsterbüsche,
Ian und ich folgten ihm auf den Fersen. Man konnte zwar kaum etwas erkennen, aber am

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