Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Es war grauenhaft geschwollen mit hervorquellenden Augen und heraushängender Zunge. In den strohblonden Haaren spielte der Wind. Ich spürte, wie ein Schrei in meiner Kehle aufstieg, und unterdrückte ihn.
    »Du hattest recht, Sassenach«, sagte Jamie. »Da war tatsächlich ein Zöllner.« Er warf etwas zu Boden. »Die Bevollmächtigung. Er hieß Thomas Oakie. Kennt ihn einer von euch?«
    »Bei Gott, den würde seine eigene Mutter nicht wiedererkennen!« sagte einer. Auch die anderen Männer verneinten Jamies Frage und scharrten unruhig mit den Füßen. Offenbar waren alle ebenso darauf erpicht, von hier wegzukommen, wie ich.
    »Also gut.« Jamie gebot dem Rückzug Einhalt. »Die Fracht ist verloren, also bekommt ihr auch keine Anteile, aye? Braucht einer von euch dringend Geld?« Er griff in seine Tasche. »Ich kann euch etwas geben, damit ihr euch fürs erste über Wasser halten könnt - denn ich habe meine Zweifel, ob wir in nächster Zeit an der Küste arbeiten werden.«
    Zögernd traten ein, zwei Männer in den Lichtkreis, um ihr Geld
entgegenzunehmen, während die übrigen Schmuggler lautlos im Dunkeln verschwanden. Nach wenigen Minuten waren nur noch Fergus, Jamie und ich da.
    »Jesus!« flüsterte Fergus und blickte zu dem Gehenkten auf. »Wer mag das nur getan haben?«
    »Ich - das wird man zumindest behaupten, aye?« Jamie blickte auf, und seine Züge wirkten im flackernden Schein der Fackel hart. »Worauf warten wir noch?«
    »Was ist mit Ian?« Plötzlich war mir der Junge wieder eingefallen. »Er ist zur Abtei gegangen, um euch zu warnen!«
    »Wirklich?« fragte Jamie scharf. »Von daher bin ich gekommen, und er ist mir nicht begegnet. Welche Richtung hat er eingeschlagen, Sassenach?«
    »Da hinunter.«
    Fergus gab einen erstickten Laut von sich.
    »Die Abtei liegt in der entgegengesetzten Richtung«, sagte Jamie amüsiert. »Kommt, wir werden ihn einholen, wenn er seinen Fehler bemerkt und umkehrt.«
    »Wartet.« Fergus hob die Hand. Es raschelte im Gebüsch, und wir hörten Ians zaghafte Stimme. »Onkel Jamie?«
    »Aye, Ian«, erwiderte sein Onkel. »Ich bin’s.«
    Der Junge kroch aus dem Unterholz. Blätter hingen ihm in den Haaren, und die Augen hatte er vor Aufregung weit aufgerissen.
    »Ich habe das Licht gesehen und gedacht, ich muß umkehren und sehen, ob Tante Claire in Schwierigkeiten ist«, erklärte er. »Onkel Jamie, du darfst hier nicht mit einer Fackel herumstehen - hier sind überall Zöllner!«
    Jamie legte seinem Neffen den Arm um die Schultern und drehte ihn um, bevor er die Leiche erblickte, die an der Erle hing.
    »Keine Sorge, Ian«, sagte er gefaßt. »Sie sind fort.«
    Er schwenkte die Fackel durch das nasse Gebüsch, so daß sie zischend erlosch.
    »Gehen wir. Mr. Willoughby wartet weiter unten mit den Pferden. Bei Tagesanbruch sind wir bereits in den Highlands.«

SIEBTER TEIL
    Wieder daheim

32
    Die Rückkehr des verlorenen Sohnes
    Unser Ritt von Arbroath nach Lallybroch dauerte vier Tage und verlief größtenteils schweigsam. Der junge Ian und Jamie hingen ihren Gedanken nach, und ich dachte nicht nur über die jüngsten Ereignisse nach, sondern zerbrach mir auch den Kopf darüber, was mich wohl erwarten mochte.
    Gewiß hatte Ian Jamies Schwester Jenny erzählt, daß ich wieder aufgetaucht war. Wie würde sie es aufnehmen?
    Damals hatte ich mich Jenny Murray so tief verbunden gefühlt wie einer Schwester, und zweifellos war sie die beste Freundin, die ich je hatte. Während der vergangenen fünfzehn Jahre war ich hauptsächlich mit Männern befreundet gewesen - das hatte sich so ergeben. Ich war die einzige Ärztin im Krankenhaus, und die Kluft zwischen Pflegepersonal und Medizinern verhinderte, daß zu anderen weiblichen Beschäftigten eine mehr als oberflächliche Bekanntschaft entstand. Und was die Frauen in Franks Umkreis betraf, die Fakultätssekretärinnen und die Dozentengattinnen…
    Vor allem aber war Jenny diejenige, von der ich annahm, daß sie Jamie Fraser mindestens so liebte wie ich, wenn nicht gar mehr. Obwohl ich begierig war, sie wiederzusehen, war mir ein wenig bange, welche Gefühle die Geschichte meiner vermeintlichen Flucht nach Frankreich und die Tatsache, daß ich ihren Bruder im Stich gelassen hatte, in ihr erweckten.
    Auf dem schmalen Pfad konnten die Pferde nur hintereinander trotten. Brav verlangsamte mein Pferd den Schritt, als Jamie seinen Braunen zügelte und auf eine von Erlenzweigen halb verdeckte Lichtung lenkte.
    Am Rand der Lichtung erhob

Weitere Kostenlose Bücher