Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
versehentlich in einer unschicklichen Umarmung anzutreffen.
    Grinsend drückte Jamie meine Hand und wandte sich dann zu seinem Neffen um.
    »Fast daheim, Ian«, sagte er, als der Knabe mit seinem Pferd auf unserer Höhe war. »Wir sind lange vor dem Abendessen da, falls es nicht regnet«, fügte er hinzu, schirmte mit der Hand die Augen ab und blinzelte in den Himmel.
    »Mmmpf.« Diese Aussicht veranlaßte den jungen Ian nicht gerade zu Freudengeheul. Mitfühlend sah ich ihn an.
    »›Dein Zuhause ist der Ort, wo sie dich aufnehmen müssen, wenn du anklopfst‹«, zitierte ich.
    Ian warf mir einen ironischen Blick zu. »Aye, und genau das fürchte ich, Tante.«
    Jamie drehte sich zu dem jungen Ian und blinzelte ihm ernst zu - seine Art, ihm Mut zu machen.
    »Keine Angst, Ian. Denk an die Geschichte vom verlorenen Sohn. Deine Mutter wird froh sein, wenn sie dich unversehrt wiederhat.«
    Der Junge Ian warf ihm einen nüchternen Blick zu.
    »Wenn du glaubst, daß es das fette Kalb ist, das dran glauben muß, Onkel Jamie, kennst du meine Mutter doch nicht so gut, wie du meinst.«
    Er biß sich auf die Unterlippe, dann richtete er sich tief seufzend im Sattel auf.
    »Bringen wir es hinter uns, aye?«
    »Werden ihm seine Eltern wirklich den Kopf abreißen?« fragte ich und beobachtete, wie sich der junge Ian vorsichtig an den Abstieg machte.
    Jamie zuckte die Achseln.
    »Natürlich werden sie ihm verzeihen, aber wahrscheinlich wird er zuvor eine lange Strafpredigt und eine gewaltige Tracht Prügel
einstecken müssen. Ich kann dem Himmel danken, wenn ich auch auf diese Art davonkomme«, fügte er gequält hinzu. »Jenny und Ian werden mir gewiß auch nicht um den Hals fallen, fürchte ich.« Er drückte dem Pferd den Absatz in die Flanken und ritt den Abhang hinab.
    »Komm, Sassenach, bringen wir es hinter uns, aye?«
     
    Ich rätselte, welchen Empfang man uns in Lallybroch bereiten würde, aber meine Besorgnis erwies sich als unbegründet. Wie ehedem wurde unsere Ankunft von einem Rudel unterschiedlichster Hunde angekündigt, die uns zunächst erschreckt, später erfreut aus Hecke, Feld und Gemüsegarten entgegenbellten.
    Der junge Ian ließ die Zügel los und saß ab. Er ging in die Hocke, um die Hunde zu begrüßen, die an ihm hochsprangen und ihn ableckten. Lächelnd nahm er einen halbausgewachsenen Welpen auf den Arm und brachte ihn zu mir.
    »Das ist Jocky«, stellte er ihn vor und hielt mir das zappelnde braun-weiße Bündel entgegen. »Er gehört mir. Papa hat ihn mir geschenkt.«
    »Du bist ein niedliches Hündchen«, begrüßte ich das Knäuel und kraulte seine Schlappohren. Aufgeregt wollte Jocky gleichzeitig mich und Ian ablecken.
    »Du wirst überall Hundehaare haben, Ian«, hörte ich eine klare, helle Stimme, aus der höchste Mißbilligung sprach.
    Als ich aufblickte, sah ich, wie sich ein großes, schlankes Mädchen von ungefähr siebzehn Jahren vom Wegesrand erhob.
    »Und du bist voller Kletten!« gab der junge Ian zurück und drehte sich eilig zu seiner Schwester um.
    Das Mädchen warf die dunkelbraunen Locken zurück und zupfte sich die Kletten vom Rock.
    »Papa sagt, du verdienst es überhaupt nicht, einen Hund zu haben«, bemerkte sie. »Wo du einfach abgehauen bist und ihn im Stich gelassen hast.«
    Ians Gesicht verzog sich in Abwehr. »Ich hatte ihn eigentlich mitnehmen wollen«, sagte er unsicher. »Aber dann habe ich gedacht, er ist in der Stadt nicht gut aufgehoben.« Er umarmte den Hund noch fester und legte das Kinn zwischen Jockys Ohren. »Er ist ein bißchen gewachsen. Offenbar hat er genug gefressen, oder?«

    »Komm her und begrüß uns, kleine Janet«, sagte Jamie freundlich, doch der zynische Unterton in seiner Stimme ließ das Mädchen unvermittelt aufblicken und erröten.
    »Onkel Jamie! Ach, und …« Ihr Blick wanderte zu mir, und sie neigte den hochroten Kopf.
    »Aye, das ist deine Tante Claire.« Jamie hielt meinen Ellbogen fest umfaßt, als er dem Mädchen zunickte. »Die kleine Janet war noch nicht auf der Welt, als wir das letzte Mal hier waren, Sassenach. Deine Mutter ist gewiß auch zu Hause, oder?«
    Das Mädchen nickte mit weit aufgerissenen Augen, ohne den Blick von meinem Gesicht abzuwenden. Ich beugte mich ihr entgegen und streckte lächelnd die Hand aus.
    »Ich freue mich, dich kennenzulernen«, sagte ich.
    Sie starrte mich immer noch an, erinnerte sich aber plötzlich an ihre Manieren und machte einen Knicks. Dann nahm sie zaghaft meine Hand, als befürchtete sie, sie

Weitere Kostenlose Bücher