Ferne Ufer
was das neue Jahr bringen mochte. Wir gingen auch. Die unverheirateten Frauen drehten sich nacheinander im Kreis, traten dann mit geschlossenen Augen durch die Tür und drehten sich noch einmal um sich selbst. Dann öffneten sie die Augen. Den Mann, den sie in diesem Augenblick sahen, würden sie heiraten, weißt du.«
Erhitzt vom Whisky und vom Tanzen schoben sich die Gäste unter großem Gelächter durch die Tür. Laoghaire wollte zuerst nicht mitmachen, weil das eher was für junge Mädchen wäre, hatte sich dann aber überreden lassen. Sie drehte sich dreimal im Uhrzeigersinn um die eigene Achse, öffnete die Tür, trat hinaus in die kalte Morgendämmerung und drehte sich noch einmal. Als sie die Augen öffnete, fiel ihr erwartungsvoller Blick auf Jamie.
»Tja… da stand sie. Eine Witwe mit zwei Kindern. Sie brauchte einen Mann, kein Zweifel. Ich brauchte… irgend etwas.« Er starrte ins Feuer, wo die niedrige Flamme durch den rotglühenden Torf schimmerte. »Ich dachte, daß wir einander vielleicht helfen könnten.«
Nachdem sie ohne viel Aufhebens in Balriggan geheiratet hatten, brachte er seine wenigen Habseligkeiten in ihr Haus. Nach weniger als einem Jahr zog er wieder aus und ging nach Edinburgh.
»Was in aller Welt war denn geschehen?« fragte ich.
Hilflos sah er mich an.
»Ich weiß es nicht. Nicht, daß etwas nicht stimmte, aber es war auch nicht völlig in Ordnung.« Müde strich er sich über die Stirn. »Wahrscheinlich lag es an mir. Es war mein Fehler. Immer habe ich sie mit irgend etwas enttäuscht. Wenn wir uns zum Abendessen niedersetzten, traten ihr plötzlich die Tränen in die Augen, und sie stand weinend vom Tisch auf. Ich saß da und hatte keine Ahnung, was ich Falsches gesagt oder getan hatte.«
Er ballte die Hand zur Faust und löste sie wieder. »Mein Gott, nie wußte ich, was ich sagen oder tun sollte. Was ich auch sagte, es machte alles nur noch schlimmer. Manchmal sprach sie wochenlang nicht mit mir, und wenn ich mich ihr näherte, wandte sie sich ab und sah aus dem Fenster, bis ich wieder fort war.«
Gequält sah er mich an.
»Du hast dich nie so verhalten, Sassenach.«
»Ist nicht meine Art«, erwiderte ich und lächelte schwach. »Wenn ich dir böse bin, erfährst du, weshalb.«
Er schnaubte kurz und lehnte sich zurück in die Kissen. Wir schwiegen eine Weile. Dann sagte er, den Blick auf die Zimmerdecke gerichtet: »Ich habe immer gedacht, ich würde nicht wissen wollen, was zwischen dir und Frank gewesen ist, aber ich glaube, es interessiert mich doch.«
»Ich erzähle dir alles, was du wissen möchtest«, sagte ich. »Aber nicht jetzt. Noch bist du an der Reihe.«
Seufzend schloß er die Augen.
»Sie hatte Angst vor mir«, erklärte er eine Minute später leise. »Ich versuchte, behutsam zu sein. Lieber Himmel, immer wieder habe ich mich bemüht, ich tat alles, was in meiner Macht stand, um sie zufriedenzustellen. Aber es war zwecklos.«
Unruhig warf er den Kopf hin und her.
»Vielleicht war es Hugh. Vielleicht aber auch Simon. Ich kannte beide. Sie waren beide gut. Aber wie will man wissen, was sich im Ehebett abspielt? Vielleicht lag es an den Schwangerschaften. Nicht alle Frauen kommen damit zurecht. Irgend etwas schmerzte sie, und obwohl ich immer wieder einen Anlauf gemacht habe, konnte ich ihr nicht helfen. Wenn ich sie berührte, schrak sie zurück, und ihre Augen waren voller Angst.« Sein trauriger Gesichtsausdruck ließ mich nach seiner Hand greifen.
Er drückte die meine sanft und öffnete die Augen.
»Deshalb bin ich schließlich gegangen«, sagte er leise. »Ich konnte es nicht länger ertragen.«
Ich antwortete nicht, sondern hielt nur seine Hand und prüfte dabei mit dem Finger seinen Puls. Zu meiner Beruhigung schlug er langsam und regelmäßig.
Jamie rutschte ein wenig hin und her, bewegte die Schultern und verzog dabei das Gesicht.
»Tut der Arm sehr weh?« fragte ich ihn.
»Ein bißchen.«
Ich beugte mich über ihn und berührte seine Stirn. Sie war sehr warm, aber nicht fiebrig. Ich glättete die scharfe Falte zwischen seinen buschigen Brauen.
»Kopfschmerzen?«
»Ja.«
»Ich mach’ dir einen Weidenrindentee.« Ich wollte mich erheben, aber er hielt mich zurück.
»Ich brauche keinen Tee«, sagte er. »Es täte mir aber wohl, wenn ich meinen Kopf in deinen Schoß legen könnte und du mir meine Schläfen reibst.« Blaue Augen blickten zu mir auf, klar wie ein Frühlingstag.
»Du brauchtst es gar nicht zu versuchen, Jamie
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