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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Fraser«, sagte ich. »Ich vergesse die nächste Spritze nicht.« Trotzdem schob ich den Sessel weg und setzte mich neben ihn auf das Bett.
    Als ich seinen Kopf in meinen Schoß legte und ihn zu streicheln begann, gab er ein zufriedenes Grunzen von sich. Ich strich ihm das dicke Haar ein wenig zur Seite und massierte seine Schläfen. Sein Nacken war feucht. Ich hob die Haare und blies sanft auf die Haut, bis er eine Gänsehaut bekam.

    »Ach, das tut gut«, murmelte er. Ehe alles zwischen uns geklärt war, wollte ich ihn eigentlich nur so weit berühren, wie es die Pflege verlangte, doch nun folgten meine Hände der klaren Linie seines Halses und seiner Schulter und erspürten die Wirbel seines Rückgrats.
    Er fühlte sich fest und wirklich an, und sein warmer Atem auf meinem Schenkel war wie eine Liebkosung, so daß ich ihn schließlich recht widerwillig auf das Kissen zurückschob und nach der Ampulle mit Penicillin griff.
    »Auf ein neues«, sagte ich, schlug das Laken zurück und griff nach dem Saum seines Nachthemds. »Ein Piekser, und du…« Ich strich ihm über die Vorderseite seines Nachtgewands. Verdutzt hielt ich inne.
    »Jamie!« rief ich amüsiert. »Du kannst doch jetzt nicht…!«
    »Nein, vermutlich nicht«, meinte er und rollte sich zusammen. »Aber man darf doch wohl noch träumen, oder nicht?«
     
    Auch in dieser Nacht schlief ich nicht in meinem Zimmer im oberen Stockwerk. Wir redeten nicht viel, sondern lagen nur eng beisammen in dem schmalen Bett. Bis auf das Knistern des Feuers, das Seufzen des Windes und des Rosenstrauchs, der hartnäckig wie sehnsüchtiges Verlangen am Fenster kratzte, war es still im Haus. Alles schlief.
    »Weißt du eigentlich«, sagte er leise in die schwarze Nacht hinein, »wie das ist, mit jemandem zusammenzuleben, sich zu bemühen und ihn doch nicht erreichen zu können?«
    »Ja«, antwortete ich und dachte an Frank. »Ja, das weiß ich.«
    »Das hab’ ich mir irgendwie gedacht.« Er schwieg einen Augenblick, dann berührte er sanft mein Haar.
    »Und dann…«, flüsterte er, »es erneut zu spüren, diese Gewißheit, meine ich. Frei zu sein, alles sagen und tun zu dürfen und sicher zu wissen, daß es richtig.«
    »Zu sagen ›Ich liebe dich‹, und es auch aus vollem Herzen zu meinen«, sagte ich leise.
    »Aye«, sagte er kaum hörbar.
    Seine Hand lag auf meinem Haar, und plötzlich hatte ich mich an ihn gekuschelt und den Kopf an seine Schulter gelegt.
    »Jahrelang«, sagte er, »bestand ich aus so vielen verschiedenen
Menschen.« Er schluckte, und das gestärkte Leinenhemd raschelte.
    »Ich war ›Onkel‹ für Jennys Kinder und ›Bruder‹ für sie und Ian. ›Mylord‹ für Fergus, ›Sir‹ für die Pächter. ›Mac Dubh‹ für die Männer von Ardsmuir und ›MacKenzie‹ für die Bediensteten von Helwater. Dann ›Malcolm, der Drucker‹ und im Hafen ›Jamie Roy‹.« Sanft wie der Sommerwind strich er mir übers Haar. »Aber hier«, flüsterte er noch leiser, »hier in der Dunkelheit mit dir… habe ich keinen Namen.«
    Ich hob mein Gesicht und empfing seinen warmen Atem.
    »Ich liebe dich«, sagte ich. Ich brauchte nicht zu erklären, wie ich das meinte.

38
    Der Advokat
    Wie ich vermutet hatte, hielten die Bakterien dem modernen Antibiotikum nicht stand. Binnen vierundzwanzig Stunden war das Fieber so gut wie abgeklungen. Auch die Entzündung im Arm besserte sich im Laufe der folgenden zwei Tage zusehends.
    Am vierten Tag bestrich ich die Wunde dünn mit Sonnenhutsalbe und verband sie. Dann ging ich ins obere Stockwerk, um mich anzuziehen und fertig zu machen.
    Während der vergangenen Tage hatten Ian, Janet, der junge Ian und die Dienstboten immer wieder hereingeschaut, um zu sehen, welche Fortschritte Jamie machte. Nur Jenny ließ sich nicht blicken. Aber mir war klar, daß sie dennoch darüber im Bilde war, was in ihrem Haus vor sich ging. Obwohl ich niemandem gesagt hatte, daß ich nach oben gehen wollte, fand ich bei Betreten des Zimmers neben dem Waschgestell einen großen Krug mit heißem Wasser und ein neues Stück Seife vor.
    Ich nahm sie in die Hand und schnupperte daran: kostbare französische Maiglöckchenseife. Ein leiser Wink, welchen Status ich im Haus einnahm - zweifellos war ich ein ehrenwerter Gast, aber keinesfalls Teil der Familie, in der sich jeder mit gewöhnlicher Seife aus Talg und Lauge begnügte.
    »Na gut«, murmelte ich und schäumte den Waschlappen ein. »Mal sehen, was noch kommt.«
    Ich frisierte mich soeben vor dem Spiegel,

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