Ferne Ufer
der vielen Töpfe, die Tag und Nacht auf dem Kombüsenfeuer dampften.
Mit finsterer Miene öffnete er einen Schrank, schloß ihn wieder und begann dann leise fluchend in einer Vorratskiste zu wühlen.
»Ein bißchen Schiffszwieback, das könnte es sein«, grummelte er. »Er braucht etwas Trockenes. Vielleicht auch eine Spur Essig, saure Gurken, würde ich sagen…«
Fasziniert beobachtete ich, wie die großen, plumpen Hände des Kochs flink in die Regale griffen und allerhand Köstlichkeiten auf einem Tablett anordneten.
»Versuchen wir es einmal damit.« Er überreichte mir das fertige Tablett. »Lassen Sie ihn an den Essiggurken saugen, aber nicht hineinbeißen. Und anschließend ein Bissen trockener Zwieback - Getreidekäfer sind da noch nicht drin, würde ich sagen -, aber er darf kein Wasser dazu trinken. Dann ein Happen von der Gurke, gut kauen, damit der Speichel fließt, ein Bissen Zwieback und so weiter. Wenn er das drinbehält, können wir zu der Eiercreme übergehen, die ich gestern abend frisch für den Kapitän gemacht habe. Und wenn das drinbleibt…«
Seine Stimme folgte mir, als ich die Kombüse verließ, bis ich mit dem schweren Tablett um die Ecke bog und vorsichtig über Mr. Willoughby stieg, der wie üblich in einem Winkel auf dem Gang vor Jamies Tür kauerte wie ein kleiner blauseidener Schoßhund.
Sobald ich jedoch die Kajüte betrat, wurde mir klar, daß Murphys Bemühungen wieder einmal vergeblich sein würden. Wie es kranke Männer so an sich haben, war es Jamie gelungen, seine Umgebung so niederdrückend und ungemütlich wie nur möglich zu gestalten. Die winzige Kajüte war verwahrlost und muffig, die enge Koje mit einem Tuch verhangen, das weder Licht noch Luft durchließ, und mit einem Durcheinander aus klammen Decken und schmutziger Wäsche bedeckt.
»Raus aus den Federn«, rief ich fröhlich. Ich setzte das Tablett ab und entfernte den behelfsmäßigen Vorhang. Das eindringende Tageslicht fiel auf ein grausig blasses, mitleiderregendes Gesicht.
Ein schmaler Augenschlitz öffnete sich.
»Geh weg«, sagte er.
»Ich bringe dir das Frühstück«, erwiderte ich unbeeindruckt.
Er musterte mich kalt.
»Erwähne bitte nicht das Wort Frühstück.«
»Dann eben Mittagessen. Spät genug ist es.« Ich zog mir einen Hocker an die Koje, nahm eine Gurke vom Tablett und hielt sie ihm aufmuntern unter die Nase. »Daran sollst du saugen«, erklärte ich.
Er sagte nichts, aber sein grimmiger Blick sprach Bände, so daß ich die Essiggurke hastig zurückzog.
Erschöpft schloß er die Augen.
Stirnrunzelnd betrachtete ich dieses Wrack von einem Menschen. Er lag mit angezogenen Knien auf dem Rücken. Die eingebauten Kojen boten dem Schlafenden zwar mehr Stabilität als die Hängematten der Mannschaft, aber sie waren für den Durchschnittspassagier geschaffen - der anscheinend nicht größer als einssechzig sein durfte.
»In der Koje ist es doch sicher nicht bequem«, bemerkte ich.
»Nein.«
»Möchtest du es nicht doch lieber mit einer Hängematte versuchen? Da könntest du dich wenigstens ausstrecken…«
»Nein.«
»Der Kapitän sagt, er braucht eine Frachtliste von dir - sobald es möglich ist.«
Mit wenigen Worten, die hier nicht wiedergegeben werden sollen, regte er an, was der Kapitän mit der Liste anstellen könnte.
Seufzend nahm ich seine Hand, die er mir widerstandslos überließ. Sie war kalt und feucht, und sein Puls ging schnell.
Nach einer Weile sagte ich: »Vielleicht könnten wir etwas versuchen, was ich oft mit Operationspatienten gemacht habe. Manchmal hat es geholfen.«
Er stöhnte leise, widersprach aber nicht.
Ich hatte mir angewöhnt, mich vor der Operation ein paar Minuten mit den Patienten zu unterhalten. Meine Anwesenheit schien sie zu beruhigen, und mir war aufgefallen, daß es ihnen auch körperlich besserging, wenn ich ihre Aufmerksamkeit von der bevorstehenden Tortur ablenken konnte - die Blutung ließ eher nach, die Übelkeit nach der Narkose war geringer, und die Heilung schritt rascher voran. Ich hatte es oft genug beobachtet, um zu glauben, daß das Phänomen nicht auf Einbildung beruhte. Jamie hatte nicht ganz unrecht gehabt, als er Fergus versicherte, daß der Geist den Körper beherrschen könne.
»Laß uns an etwas Schönes denken.« Ich sprach so leise und beruhigend wie möglich. »Denk an Lallybroch, an den Blick von der Anhöhe aufs Haus hinunter. Denk an die Kiefern, die dort stehen - riechst du ihre Nadeln? Denk an den Rauch, der an
Weitere Kostenlose Bücher