Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
hatte den Arm um die Taille des Mädchens gelegt, und ihr blondes Haar flatterte im Wind.

    Als Fergus Schritte hörte, warf er einen Blick über die Schulter. Keuchend fuhr er herum und bekreuzigte sich.
    »Kein… Wort… wenn’s recht ist«, grummelte Jamie mit zusammengebissenen Zähnen.
    Fergus machte den Mund auf, blieb aber stumm. Marsali, die sich nun ebenfalls umdrehte, stieß einen schrillen Schrei aus.
    »Papa! Was ist mit dir passiert?«
    Die Angst und die Sorge, die ihr ins Gesicht geschrieben standen, bewogen Jamie, die bissige Bemerkung hinunterzuschlucken, die ihm auf den Lippen lag. Sein Gesicht entspannte sich ein wenig, so daß die feinen Goldnadeln, die hinter seinen Ohren steckten, wie die Fühler eines Insekts vibrierten.
    »Es ist alles in Ordnung«, entgegnete er barsch. »Das ist nur so ein chinesisches Zeug, damit das Kotzen aufhört.«
    Mit großen Augen trat Marsali zu ihm und berührte behutsam die Nadeln, die auf der Innenseite des Handgelenks steckten.
    »Hilft es?« fragte sie. »Wie fühlt es sich an?«
    Jamies Mund zuckte; sein Sinn für Humor kam allmählich wieder zutage.
    »Ich fühle mich wie ein Unglücksbringer, den jemand mit Nadeln gespickt hat«, sagte er. »Aber da ich in der letzten Viertelstunde nicht gekotzt habe, würde ich sagen, es hilft.« Mr. Willoughby und ich standen nebeneinander an der Reling, und Jamie warf uns einen erbosten Blick zu.
    »Also«, sagte er, »mir ist im Augenblick zwar noch nicht danach zumute, an Essiggurken zu nuckeln, aber ich könnte einen Becher Ale vertragen, wenn du welches auftreiben kannst, Fergus.«
    »Oh. Aber ja, Mylord. Wenn Sie mit mir kommen?« Fergus, dem fast die Augen aus dem Kopf fielen, streckte zögernd die Hand nach Jamie aus, dann aber besann er sich eines Besseren und entfernte sich in Richtung Achterdeck.
    »Soll ich Murphy sagen, daß er dir ein Mittagessen bereiten soll?« rief ich Jamie nach, der sich anschickte, Fergus zu folgen. Er wandte sich noch einmal um und sah mir fest in die Augen. Die goldenen Nadeln, die aus seinen Haaren ragten, glänzten im Morgenlicht wie Teufelshörner.
    »Treib es nicht zu weit, Sassenach«, sagte er. »Das werde ich dir nicht vergessen. Verschlungene Hoden - pah!«

    Mr. Willoughby, der diesen Wortwechsel mitbekam, hatte sich im Schatten der Tonne niedergelassen, die das Trinkwasser für die Deckwache enthielt. Offenbar in eine Berechnung vertieft, zählte er seine Finger ab. Als Jamie sich entfernte, blickte der Chinese auf.
    »Nicht Ratte«, meinte er kopfschüttelnd. »Auch nicht Drache. Tsei-mi im Jahr des Büffels geboren.«
    »Wirklich?« Ich sah dem breitschultrigen Hünen nach, der trotzig dem Wind die Stirn bot. »Das paßt.«

42
    Der Mann im Mond
    Wie sein Titel verriet, waren Jamies Pflichten als Frachtaufseher nicht sehr beschwerlich. Solange wir auf See waren, hatte er nichts weiter zu tun, als die geladenen Waren mit den Frachtpapieren zu vergleichen und sicherzustellen, daß die Artemis tatsächlich die angegebene Menge an Häuten, Kupfer, Zinn und Schwefel beförderte. Seine eigentliche Arbeit begann erst, wenn wir Jamaica erreichten, denn dann galt es die Fracht auszuladen, erneut zu prüfen und zu verkaufen, die entsprechenden Zölle zu bezahlen, Provisionen abzuführen und den Papierkram zu erledigen.
    In der Zwischenzeit hatten er - und ich - wenig zu tun. Obwohl Mr. Picard, der Bootsmann, Jamies breiten Rücken begehrlich musterte, lag auf der Hand, daß aus ihm niemals ein Seemann werden würde. Zwar bewegte er sich ebenso rasch und gewandt wie die besten Matrosen, aber von Seilen und Segeln hatte er keine Ahnung, so daß er nur zu Aufgaben taugte, die nichts als reine Muskelkraft erforderten. Offensichtlich war Jamie ein Soldat und kein Seefahrer.
    Er nahm mit Begeisterung an den Kanonenübungen teil, die jeden zweiten Tag stattfanden, half mit, die vier gewaltigen Kanonen auf ihren Lafetten unter großem Getöse hinein- und herauszuschieben, und brachte Stunden damit zu, mit dem Kanonier Tom Sturgis zu fachsimpeln. Während der lautstarken Übungen hielten Marsali, Mr. Willoughby und ich uns abseits - ebenso wie Fergus, der aufgrund seiner fehlenden Hand nicht an den Feuerübungen teilnehmen sollte.
    Es überraschte mich, daß mich die Mannschaft ohne großes Murren als Schiffsärztin akzeptierte. Fergus erklärte mir, daß auf kleinen Handelschiffen nicht einmal einfache Wundärzte mitreisten.
Für gewöhnlich war es die Frau des Kanoniers, so er denn eine

Weitere Kostenlose Bücher