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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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daß ein Schauer ihre schmalen Schultern erbeben ließ - ob vor Kälte oder vor Sorge, wußte ich nicht. Wahrscheinlich hatte sie nicht vorgehabt, sich mit einem potentiellen Mörder einzuschiffen, als sie mit Fergus durchbrannte.
    »Du solltest Marsali lieber nach unten bringen«, sagte ich zu Fergus. »Sie wird schon blau vor Kälte. Keine Sorge«, beruhigte ich Marsali mit kühler Stimme, »ich werde mich die nächste Zeit nicht in der Kajüte aufhalten.«
    »Wo wollen Sie hin, Madame?« Fergus beäugte mich, nicht frei von Mißtrauen. »Mylord will gewiß nicht, daß Sie -«
    »Das habe ich auch nicht vor«, entgegnete ich. »Ich gehe in die Kombüse.«
    »In die Kombüse?« Fragend zog er die Brauen hoch.
    »Um zu sehen, ob Aloysius O’Shaughnessy Murphy ein Mittel gegen Seekrankheit kennt«, sagte ich. »Wenn wir Jamie nicht bald wieder auf die Beine bekommen, dürfte es ihm gleich sein, ob ihm jemand die Kehle durchschneidet oder nicht.«
     
    Durch eine Unze getrockneter Orangenschalen und eine Flasche von Jareds bestem Bordeaux besänftigt, zeigte sich Murphy überaus
hilfsbereit. Tatsächlich empfand er das Problem, Jamies Magen zur Nahrungsaufnahme zu bewegen, als persönliche Herausforderung und verbrachte Stunden mystischer Versenkung vor Gewürzregal und Vorratskammer - aber alles vergeblich.
    Wir blieben zwar von Stürmen verschont, aber der Winterwind sorgte für starke Dünung, und die Artemis kämpfte sich oft über drei Meter hohe Wellenberge. Es gab Augenblicke, da wurde selbst mir flau im Magen.
    Jamie machte keinerlei Anstalten, Jareds aufmunternde Prophezeiung zu erfüllen und von seinem Lager aufzuspringen. Er blieb in seiner Koje, rührte sich nur vom Fleck, um die Toilette aufzusuchen, und wurde Tag und Nacht abwechselnd von Mr. Willoughby und Fergus bewacht.
    Glücklicherweise unternahm keiner der sechs Schmuggler irgendwelche bedrohlichen Schritte. Alle zeigten sich um Jamies Wohlergehen besorgt und besuchten ihn - streng beaufsichtigt - in seiner Kajüte, ohne daß irgend etwas Verdächtiges vorfiel.
    Ich verbrachte meine Tage damit, das Schiff zu erforschen und kleinere Verletzungen zu behandeln, wie sie auf einem Segelschiff an der Tagesordnung waren - ein gequetschter Finger, ein Rippenbruch, Zahnfleischbluten und einen Zahnabszeß. Hin und wieder zog ich mich auch in die Kombüse zurück, wo ich von Murphys Gnaden in einer Ecke sitzen, Kräuter zerstoßen und Medikamente zubereiten durfte.
    Marsali hatte unsere gemeinsame Kajüte immer schon verlassen, wenn ich morgens aufstand, und schlief bereits, wenn ich zu Bett ging, und wenn wir uns auf Deck oder bei den Mahlzeiten begegneten, zeigte sie stille Feindseligkeit. Ich vermutete, daß ihre Abneigung teilweise auf ihren Gefühlen für ihre Mutter beruhte und teilweise auf der Enttäuschung darüber, daß sie ihre Nächte mit mir statt mit Fergus verbringen mußte.
    »Was, doch nicht die Brühe?« Murphys rötliches Gesicht nahm einen bedrohlichen Ausdruck an. »Nach einem Schluck von meiner Brühe sind schon Kranke vom Sterbebett aufgestanden!«
    Er nahm Fergus das Suppentöpfchen aus der Hand, schnupperte kritisch daran und hielt es dann mir unter die Nase.
    »Hier, riechen Sie mal, Missus, Markknochen, Knoblauch, Kümmel und ein Klümpchen Schweineschmalz zur Abrundung,
alles sorgfältig durch ein Baumwolltuch passiert, weil manche Magenkranke keine Brocken vertragen, aber hier drin finden Sie kein Bröckchen, nicht eins!«
    Die Brühe war tatsächlich von einem klaren Goldbraun und verströmte einen so appetitlichen Duft, daß mir das Wasser im Munde zusammenlief, obwohl ich vor kaum einer Stunde ein hervorragendes Frühstück verspeist hatte. Kapitän Raines besaß einen empfindlichen Magen, und folglich hatte er sowohl bei der Wahl seines Kochs als auch bei der Ausstattung der Kombüse keine Mühe gescheut, was der Verpflegung der Offiziere zustatten kam.
    Murphy, der stark an ein Rumfaß mit Holzbein erinnerte, hätte als waschechter Pirat durchgehen können, tatsächlich stand er aber im Ruf, der beste Schiffskoch von Le Havre zu sein - wie er mir ohne jede Prahlerei selbst versichert hatte. Fälle von Seekrankheit stachelten seinen Ehrgeiz an, und daß Jamie nach vier Tagen immer noch darniederlag, verletzte seinen Stolz.
    »Zweifellos ist diese Brühe ganz ausgezeichnet«, versicherte ich ihm. »Aber er kann rein gar nichts bei sich behalten.«
    Murphy grunzte ungläubig, dann drehte er sich um und kippte die Brühe in einen

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