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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hatte, die kleinere Verletzungen und Krankheiten der Matrosen behandelte.
    Ich wurde wegen der üblichen Quetschungen, Verbrennungen, Hautausschläge, Abszesse und Verdauungsbeschwerden konsultiert, aber da die Besatzung nur aus zweiunddreißig Mann bestand, hatte ich recht wenig zu tun.
    So hatten Jamie und ich sehr viel Freizeit. Und während die Artemis allmählich südwärts in den Atlantik segelte, verbrachten wir den Großteil dieser Zeit miteinander.
    Zum erstenmal seit meiner Rückkehr nach Edinburgh hatten wir Muße für Gespräche. Wir erinnerten uns jener halbvergessenen Dinge, die wir voneinander wußten, entdeckten die neuen Facetten, die durch Lebenserfahrung an Glanz gewonnen hatten, oder freuten uns einfach aneinander, ohne durch irgendwelche Gefahren oder Alltagspflichten abgelenkt zu werden.
    Auf dem Deck hin und her wandernd, unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Wir sprachen über die erstaunlichen Phänomene einer Seereise, die malerischen Sonnenauf- und -untergänge, die Schwärme seltsamer grüner und silberner Fische, die glänzenden Delphine, die das Schiff oft tagelang begleiteten und hin und wieder aus dem Wasser sprangen, als wollten sie die merkwürdigen Wesen, die auf dem Meer dahinsegelten, näher betrachten.
     
    Wie Phönix aus der Asche erhob sich ein riesiger, goldener Mond aus dem Wasser. Das Meer war jetzt dunkel, und obwohl ich die Delphine nicht mehr sah, dachte ich aus irgendeinem Grund, sie wären noch da und hielten Schritt mit dem Schiff, das durchs Dunkel dahinflog.
    Der Anblick nahm selbst alten Seebären den Atem. Sie hielten in ihrer Arbeit inne und seufzten vor Vergnügen, als die riesenhafte Scheibe zum Greifen nahe über dem Horizont schwebte.
    Jamie und ich standen an der Reling und betrachteten staunend den gewaltigen Mond, der so nah schien, daß wir mühelos die dunklen Flecken und Schatten auf der Oberfläche erkennen konnten.
    »Er ist so nah, daß man mit dem Mann im Mond sprechen könnte«, meinte er lächelnd und winkte dem verträumten goldenen Antlitz zu.

    »›Die weinenden Plejaden blickten westwärts, und der Mond versank im Meer‹«, zitierte ich. »Und sieh nur, da unten ist er auch.« Ich deutete über die Reling, wo das Mondlicht im Wasser leuchtete, als wäre dort sein Zwillingsbruder versunken.
    »Als ich ging«, sagte ich, »wollten die Menschen auf den Mond fliegen. Ich frage mich, ob sie’s schaffen.«
    »Können die Flugmaschinen so hoch hinauf?« fragte Jamie und beäugte kritisch den Mond. »Ich würde sagen, es ist ziemlich weit, so nah es jetzt auch scheinen mag. Ich habe ein Buch von einem Astronomen gelesen - er meinte, es wäre an die neunhundert Meilen von der Erde bis zum Mond. Irrt er sich, oder können die Flugzeuge - so heißen sie doch? - so weit fliegen?«
    »Dazu braucht man eine sogenannte Rakete«, erklärte ich. »Eigentlich ist es sogar noch viel weiter bis zum Mond, und draußen im Weltraum gibt es keine Luft zum Atmen. Man muß Luft mit auf die Reise nehmen, so wie Essen und Wasser. Die Luft wird in eine Art Kanister gefüllt.«
    »Wirklich?« Verwundert blickt er auf. »Wie es dort oben wohl aussieht?«
    »Das weiß ich. Ich habe Bilder gesehen. Es ist felsig und öde, überhaupt kein Leben - aber sehr schön, mit Klippen und Bergen und Kratern -, du kannst die Krater von hier aus sehen, das sind die dunklen Flecken.« Ich nickte dem lächelnden Mond zu. »Es ist dort nicht viel anders als in Schottland - nur daß es nicht grün ist.«
    Er lachte. Anscheinend hatte ihn das Wort »Bilder« an etwas erinnert, denn er griff in seine Rocktasche und holte das Päckchen mit den Fotografien heraus. Das tat er nur, wenn uns niemand beobachten konnte, nicht einmal Fergus, aber hier hinten waren wir allein und ungestört.
    Im hellen Mondlicht sah Briannas Gesicht leuchtend aus und schien sich immer wieder zu verändern. Die Bilder, die er langsam durchblätterte, waren an den Kanten schon ganz abgegriffen.
    »Wird sie auf dem Mond herumlaufen, was meinst du?« fragte er leise und hielt bei dem Schnappschuß inne, auf dem Brianna verträumt aus dem Fenster sah und nicht merkte, daß sie fotografiert wurde. Wieder blickte er zum Himmel auf, und mir wurde klar, daß ihm eine Reise zum Mond kaum schwieriger oder unwahrscheinlicher vorkam als die, die wir gerade machten. Der Mond
war schließlich auch nichts weiter als ein ferner, unbekannter Ort.
    »Ich weiß nicht«, entgegnete ich lächelnd.
    Ganz vertieft in den Anblick

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