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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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klaren Tagen aus dem Küchenkamin aufsteigt, und an einen Apfel in deiner Hand. Denk daran, wie er sich anfühlt, hart und seidenglatt, und dann -«
    »Sassenach?« Jamie blickte mich angestrengt an. An seinen Schläfen glänzte der Schweiß.
    »Ja?«
    »Geh weg.«
    »Wie bitte?«
    »Geh weg«, wiederholte er mit sanfter Stimme, »oder ich dreh dir den Hals um. Geh jetzt sofort weg.«
    Ich erhob mich würdevoll und ging hinaus.
    Mr. Willoughby lehnte an einem Pfosten auf dem Gang und spähte versonnen in die Kajüte.
    »Haben Sie vielleicht ihre Steinkugeln dabei?« fragte ich.

    »Ja«, entgegnete er überrascht. »Wollen gesunde Kugeln für Tsei-mi?« Er begann in seinem Ärmel zu wühlen, aber ich gebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt.
    »Ich möchte sie ihm nur über den Schädel schlagen, aber ich nehme an, Hippokrates würde das nicht billigen.«
    Mr. Willoughby lächelte unsicher und nickte wohlwollend.
    »Schon gut«, sagte ich und warf einen wütenden Blick auf den Haufen stinkenden Bettzeugs in der Koje. Darunter regte sich etwas, eine Hand kam hervor und tastete zaghaft auf dem Boden herum, bis sie die Schüssel fand, die dort stand. Die Hand verschwand mit der Schüssel in den düsteren Tiefen des Lagers, und unmittelbar darauf war ein trockenes Würgen zu hören.
    »Verdammter Kerl!« rief ich halb wütend, halb mitleidig. Allmählich machte ich mir Sorgen. Wie sollte er zwei Monate in diesem Zustand überstehen?
    »Bockstur«, pflichtete mir Mr. Willoughby mit kummervollem Nicken bei. »Glauben Sie, er ist Ratte oder vielleicht Drache?«
    »Er riecht wie ein ganzer Tierpark«, meinte ich. »Aber warum Drache?«
    »Man ist geboren im Jahr des Drachen, Jahr der Ratte, Jahr des Schafs, Jahr des Pferdes«, erklärte Mr. Willoughby. »Jedes Jahr verschieden, Menschen auch verschieden. Sie wissen, ist Tsei-mi Ratte oder Drache?«
    »Sie meinen das Jahr, in dem er geboren wurde?« Ich erinnerte mich dunkel an Speisekarten im Chinarestaurant, die mit den Tieren des chinesischen Horoskops verziert waren; daneben standen die angeblichen Charakterzüge jener aufgelistet, die in dem jeweiligen Jahr geboren wurden. »Es war 1721, aber ich weiß nicht, zu welchem Tier dieses Jahr gehört.«
    »Ich glaube, Ratte«, meinte Mr. Willoughby und betrachtete nachdenklich den Haufen Bettzeug, den ein qualvolles Beben erschütterte. »Ratte sehr klug, hat viel Glück. Aber Drachen könnte auch sein. Er ist sehr lüstern im Bett, Tsei-mi? Drachen sind überaus leidenschaftlich.«
    »In letzter Zeit kann man das nicht behaupten«, entgegnete ich und behielt die Koje im Auge.
    »Ich habe chinesische Medizin«, sagte Mr. Willoughby. »Gut für Erbrechen, Magen, Kopf, macht alles friedlich und heiter.«

    Neugierig sah ich ihn an. »Wirklich? Das möchte ich sehen. Haben Sie es schon an Jamie ausprobiert?«
    Traurig schüttelte der kleine Chinese den Kopf.
    »Er will nicht. Er sagt, verdammt, werfen über Bord, wenn ich ihm zu nah komme.«
    Mr. Willoughby und ich tauschten einen Blick. Wir verstanden uns vollkommen.
    »Wissen Sie«, entgegnete ich deutlich lauter, »anhaltendes trockenes Erbrechen ist sehr schlecht für die Gesundheit.«
    »O ja, überaus schlecht.« Mr. Willoughbys frisch rasierte Halbglatze glänzte, als er eifrig nickte.
    »Es zerfrißt die Magenschleimhaut und reizt die Speiseröhre.«
    »Tatsächlich?«
    »So ist es. Es erhöht zudem den Blutdruck und strapaziert die Bauchmuskeln. Sie können sogar reißen, so daß es zu einem Bruch kommt.«
    »Aha.«
    »Und«, fuhr ich noch etwas lauter fort, »es kann dazu führen, daß sich die Hoden verschlingen und die Durchblutung im Hodensack abgeschnürt wird.«
    »Ohh!« Mr. Willoughby machte große Augen.
    »Wenn das geschieht«, verkündete ich mit düsterer Stimme, »bleibt nur die Amputation, bevor der Brand einsetzt.«
    Mr. Willoughby gab einen Laut des Entsetzens von sich. Der Haufen Bettzeug, der sich während des Gesprächs hin- und hergeworfen hatte, verharrte nun regungslos.
    Ich sah Mr. Willoughby an. Er zuckte die Achseln. Mit verschränkten Armen wartete ich. Nach einer Weile, die mir sehr lang erschien, kam ein schmaler nackter Fuß unter dem Bettzeug hervor. Dann erschien auch der zweite, und beide wurden auf den Boden gesetzt.
    »Fahrt zur Hölle, ihr beiden«, brummte eine bösartige schottische Stimme. »Aber vorher kommt ihr herein.«
     
    Schulter an Schulter standen Fergus und Marsali auf dem Achterdeck und lehnten sich über die Reling; er

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