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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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seiner Tochter, die ihm so sehr ähnelte, blätterte er weiter. Schweigend beobachtete ich ihn und teilte seine stille Freude über die Verheißung unserer Unsterblichkeit.
    Jener Stein in Schottland, in den sein Name eingraviert war, fiel mir wieder ein, und ich fand es tröstlich, daß er so weit weg war - genauso fern wie die Stunde des Abschieds. Und nach unserem Tod würde Brianna weiterleben.
    Wieder gingen mir Housmans Verse durch den Sinn - Sieh jenen Namen auf dem Steine / Das Herz wird ruhig am Grabe dort / Und sag, er, der dich liebte / Er stand zu seinem Wort.
    Ich trat näher zu Jamie, und als ich seine Wärme durch Rock und Hemd spürte, lehnte ich meinen Kopf an seinen Arm.
    »Sie ist schön«, sagte er bei jedem Bild, das er betrachtete. »Und auch klug, hast du gesagt?«
    »Genau wie ihr Vater.« Ich spürte, wie er in sich hineinlachte.
    Doch beim nächsten Foto versteifte er sich. Es war eine Aufnahme vom Strand, als Brianna sechzehn war. Sie stand knietief in der Brandung, mit wirrem, sandigem Haar, und bespritzte ihren Freund Rodney mit Wasser; er wich lachend zurück und schützte sich mit erhobenen Händen vor dem Wasserschwall.
    Jamie runzelte die Stirn.
    »Das -« fing er an. »Was machen sie -« Er hielt inne und räusperte sich. »Ich will dich ja nicht kritisieren, Claire«, sagte er vorsichtig, »aber findest du nicht, daß dies ein klein wenig… ungehörig ist?«
    Ich unterdrückte ein Lachen.
    »Nein«, erwiderte ich gefaßt. »Das ist wirklich ein ziemlich sittsamer Badeanzug - für die Zeit.« Es handelte sich zwar um einen Bikini, aber er saß keineswegs knapp, und das Unterteil reichte Brianna fast bis zum Nabel. »Ich habe dieses Bild ausgesucht, weil ich dachte, du willst… soviel wie möglich von ihr sehen.«
    Er sah aus, als fände er diesen Gedanken empörend, aber offenbar übte das Bild eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf ihn aus, und schließlich wurden seine Züge weicher.

    »Aye«, sagte er. »Aye, sie ist wunderschön, und ich bin froh, es zu wissen.« Er betrachtete das Bild eingehend. »Nein, ich habe nicht das gemeint, was sie anhat. Frauen, die draußen baden, sind meistens nackt, und ihre Haut macht ihnen keine Schande. Es ist nur - dieser Kerl. Gewiß sollte sie sich nicht halbnackt vor einem Mann zeigen, oder?« Er blickte den unglücklichen Rodney finster an, und ich biß mir auf die Lippen bei dem Gedanken, daß der magere, kleine Junge, den ich so gut kannte, eine Bedrohung jungfräulicher Reinheit sein sollte.
    Ich holte tief Luft, denn wir bewegten uns hier auf gefährlichem Boden. »Nein. Ich meine, Jungen und Mädchen spielen so miteinander. Weißt du, in jener Zeit kleiden sich die Leute anders, das habe ich dir doch gesagt. Niemand hat viel an, es sei denn, es ist kalt.«
    »Mmmpf«, sagte er. »Aye, das hast du mir erzählt.« Auch ohne große Worte vermittelte er mir unmißverständlich, daß er die moralischen Bedingungen, unter denen seine Tochter nach meinen Schilderungen lebte, keineswegs befriedigend fand.
    Wieder warf er einen finsteren Blick auf das Bild, und ich war froh, daß weder Brianna noch Rodney hier waren. Ich hatte Jamie als Liebhaber, Ehemann, Bruder, Onkel, Gutsherr und Krieger erlebt, aber nie in der Rolle des grimmigen schottischen Vaters. Er wirkte wahrhaft furchteinflößend.
    Zum erstenmal kam mir der Gedanke, daß es vielleicht gar nicht so schlecht war, daß Jamie nicht persönlich über seine Tochter wachen konnte - er hätte jedem jungen Mann, der den Mut gehabt hätte, ihr den Hof zu machen, einen Höllenschrecken eingejagt.
    Jamie warf noch einen hastigen Blick auf das Bild, dann holte er Luft, und ich merkte, daß er sich überwinden mußte, die nächste Frage zu stellen.
    »Glaubst du, sie ist - Jungfrau?«
    »Natürlich ist sie das«, entgegnete ich mit Nachdruck. Ich hielt es tatsächlich für wahrscheinlich, aber in diesem Augenblick war es nicht angebracht, irgendwelche Zweifel aufkommen zu lassen. Manche Eigenheiten meiner Zeit konnte ich Jamie durchaus erklären, aber das Konzept sexueller Freizügigkeit gehörte nicht dazu.
    »Oh«, seufzte er unaussprechlich erleichtert, und ich biß mir auf
die Lippen, um nicht loszulachen. »Aye. Ich war mir ganz sicher, ich wollte nur… das heißt…« Er hielt inne und schluckte.
    »Brianna ist ein liebes Mädchen.« Ich drückte seinen Arm. »Auch wenn Frank und ich uns nicht immer verstanden haben, wir waren ihr gute Eltern.«
    »Aye. Ich weiß. Das wollte ich nicht

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