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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einen Lukendeckel gebeugt stehen sah, als wäre er in einen wortlosen inneren Kampf verstrickt.
    »Haben Sie Schmerzen, Innes?« fragte ich.
    »Och!« Verblüfft richtete er sich auf, sank aber, einen Arm um den Bauch geschlungen, sogleich wieder in sich zusammen. »Mmmpf«, murmelte er, und sein hageres Gesicht rötete sich, weil er sich ertappt fühlte.
    »Kommen Sie mit.« Ich packte ihn am Ellbogen. Panisch sah er sich nach Rettung um, aber ich zog ihn unerbittlich hinter mir her. Widerstrebend, aber keineswegs laut protestierend, folgte er mir in meine Kajüte, wo ich ihn nötigte, sich auf den Tisch zu setzen, und ihm das Hemd auszog, um ihn zu untersuchen.
    Ich strich über seinen mageren, behaarten Bauch, ertastete auf einer Seite die feste, glatte Fläche der Leber und auf der anderen den leicht aufgeblähten Magen. Da der Schmerz, unter dem er sich
wie ein Wurm am Angelhaken krümmte, in Abständen kam, vermutete ich, daß er schlicht und einfach unter Blähungen litt, wollte der Sache aber lieber auf den Grund gehen.
    Für alle Fälle untersuchte ich auch die Gallenblase und fragte mich, was ich wohl tun würde, sollte es sich um eine akute Gallenblasen- oder Blinddarmentzündung handeln.
    Die Bauchhöhle zu öffnen war ein riskantes Unterfangen, selbst wenn man über moderne Anästhesiemethoden und Antibiotika verfügte. Ich wußte, daß ich früher oder später zu einer Operation gezwungen sein würde - hoffte aber, daß es später wäre.
    »Einatmen.« Meine Hände lagen auf seiner Brust, und ich sah die rosige, körnige Oberfläche einer gesunden Lunge vor mir. »Ausatmen.« Ich spürte die Farbe zu einem hellen Blau verblassen. Kein Rasseln, kein Stocken, ein schöner und klarer Atemfluß. Ich griff nach einem dicken Pergamentbogen, der mir als Stethoskop diente.
    »Wann hatten Sie zuletzt Stuhlgang?« erkundigte ich mich und rollte das Papier zu einer Röhre. Der Schotte lief blutrot an. Da er meinem durchdringenden Blick nicht ausweichen konnte, murmelte er etwas Unzusammenhängendes, aus dem ich das Wort »vier« heraushörte.
    »Vier Tage ?« fragte ich und vereitelte einen Fluchtversuch, indem ich meine Hand auf seine Brust legte und ihn flach auf den Tisch drückte. »Halten Sie still. Ich muß Sie nur noch abhorchen, um sicherzugehen.«
    Der Herzschlag war beruhigend normal. Im Grunde war ich mir meiner Diganose sicher, doch inzwischen hatten sich Zuschauer eingestellt: Innes’ Kameraden streckten den Kopf zur Tür herein. Um Eindruck zu schinden, rückte ich mein Röhrenstethoskop noch ein Stück tiefer und lauschte den Verdauungsgeräuschen.
    Wie ich vermutet hatte, war das Rumpeln der eingeschlossenen Gase in der oberen Windung des Dickdarms deutlich zu hören. Weiter unten hörte ich jedoch gar nichts.
    »Sie haben Winde«, erklärte ich, »und Verstopfung.«
    »Aye, das weiß ich auch«, grummelte Innes und sah sich verzweifelt nach seinem Hemd um.
    Ich legte meine Hand auf das fragliche Kleidungsstück, damit er nicht entwischte, solange ich ihn über das Essen aushorchte, das er
in letzter Zeit bekommen hatte. Es hatte fast ausschließlich aus gepökeltem Schweinefleich und Schiffszwieback bestanden.
    »Und was ist mit den Trockenerbsen und dem Hafermehl?« fragte ich erstaunt. Ich hatte mich vor der Abfahrt nach der üblichen Verpflegung an Bord erkundigt und - neben dem Faß Limonensaft und verschiedenen Heilkräutern - einen Vorrat von je dreihundert Pfund Trockenerbsen und Hafermehl zur Ergänzung des Speiseplans der Seeleute besorgt.
    Innes blieb stumm, aber meine Frage entlockte den Zuschauern auf dem Gang eine Sturzflut von Mitteilungen und Klagen.
    Jamie, Fergus, Marsali und ich speisten täglich mit Kapitän Raines und genossen Murphys Kochkünste. Daher hatte ich keine Ahnung, wie mangelhaft die Mannschaft verköstigt wurde. Offenbar war Murphy selbst das Problem, da er für die Tafel des Kapitäns zwar die höchsten kulinarischen Maßstäbe anlegte, das Kochen für die Mannschaft aber eher als lästige Pflicht denn als Herausforderung ansah. Er hatte große Routine darin, das Essen für die Besatzung schnell und gut zuzubereiten, und wies jeden Verbesserungsvorschlag von sich, der ihn mehr Zeit und Mühe gekostet hätte. Und die Mühsal, Erbsen einzuweichen und Hafermehl zu kochen, wollte er keinesfalls auf sich nehmen.
    Überdies hegte Murphy ein tiefsitzendes Vorurteil gegen Haferbrei, eine derbe schottische Speise, die seinen Sinn für Ästhetik beleidigte. Beim Anblick

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