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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ja doch ein besonderer Anlaß. Ich war gespannt, ob sich unsere Wege nach jenem Tag in Cranesmuir noch einmal kreuzen würden.«
    Mein Herz schlug wieder ruhiger, und mein Schock war Neugier gewichen. In mir stiegen Dutzende von Fragen hoch, und so stellte ich ihr einfach die nächstbeste.
    »Als wir uns in Cranesmuir begegnet sind, hast du mich da erkannt?« wollte ich wissen.
    Sie schüttelte so heftig den Kopf, daß sich einige helle Haarsträhnen aus ihrem Knoten lösten. Beiläufig steckte sie sie wieder fest.
    »Nein, zunächst nicht. Aber ich fand dich in deiner Art sehr fremd - und war nicht die einzige, die diesen Eindruck hatte. Du bist völlig unvorbereitet durch den Steinkreis gekommen, oder? Ich meine, nicht absichtlich!«
    Ich war versucht, »damals nicht« zu sagen, hielt mich aber zurück und meinte statt dessen: »Nein, es geschah zufällig. Aber du bist mit voller Absicht gekommen, nicht wahr - aus dem Jahre 1968?«
    Sie nickte und sah mich stirnrunzelnd an.
    »Aye - um Prinz Tcharlach zu helfen.« Sie verzog den Mund, als hätte sie etwas Schlechtes gegessen, und plötzlich drehte sie den Kopf zur Seite und spuckte aus.
    »Elender italienischer Feigling!« Ihre Augen verdunkelten sich gefährlich. »Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich mich auf den Weg nach Rom gemacht und ihn getötet, solange noch Zeit war. Allerdings wäre sein Bruder Henry wahrscheinlich kein Deut besser gewesen, dieser kastrierte, wehleidige Pfaffe! Nach der Schlacht von Culloden war ein Stuart so nutzlos wie der andere.«
    Sie seufzte und rutschte auf dem Sessel hin und her, so daß das Rattangeflecht bedenklich knarzte. Ungeduldig wedelte sie mit der Hand - damit waren die Stuarts abgetan.

    »Aber das hätte sich fürs erste erledigt. Du bist wahrscheinlich in der Zeit eines Feuerfests durch den Steinkreis gegangen, nicht wahr? So passiert es für gewöhnlich.«
    »Ja«, antwortete ich verdutzt. »Es geschah an Beltene. Aber was meinst du mit ›für gewöhnlich‹? Bist du noch vielen anderen wie… uns begegnet?« erkundigte ich mich zögernd.
    Abwesend schüttelte sie den Kopf. »Nicht vielen.« Sie schien über etwas nachzugrübeln, doch vielleicht war sie auch nur ungehalten, weil das Mädchen mit dem Tee noch nicht erschienen war. Hastig griff sie nach dem silbernen Glöckchen und klingelte ungestüm.
    »Zum Teufel, wo bleibt bloß Clotilda!« rief sie zornig, um dann unvermittelt auf unser Thema zurückzukommen.
    »Menschen wie uns?« meinte sie. »Nein, außer dir kenne ich nur noch eine einzige Person. Ich war völlig perplex, als ich die kleine Narbe auf deinem Arm entdeckte.« Sie deutete auf den bauschigen Teil ihres weißen Musselinärmels, unter dem sich die Impfnarbe verbarg. Wieder neigte sie den Kopf zur Seite und sah mich prüfend an.
    »Nein, damit beziehe ich mich auf die Geschichten, die erzählt werden. Menschen, die in Zauber- und Steinkreisen angeblich verschwunden sind. Für gewöhnlich gehen sie um Beltene oder Samhain hindurch, einige während der anderen Sonnen- und Feuerfeste Lugnasa und Imbolc.«
    »Also darum ging es auf der Liste!« Plötzlich fiel mir das graue Notizbuch wieder ein, das ich bei Roger Wakefield gelassen hatte. »Du hattest eine Liste mit Daten und fast zweihundert Initialen. Ich wußte nicht, was es damit auf sich hatte, aber ich kann mich erinnern, daß die Daten fast alle um Ende April und Anfang Mai oder Ende Oktober herum lagen.«
    »Aye, das stimmt.« Sie nickte, während sie mich weiterhin durchdringend musterte. »Du hast also mein Büchlein gefunden? Hast du so herausgefunden, wann du auf dem Craigh na Dun Ausschau nach mir halten mußtest? Das warst doch du, oder? Die meinen Namen rief, bevor ich durch den Steinkreis ging?«
    »Gillian«, sagte ich und merkte, wie ihre Pupillen sich beim Klang ihres früheren Namens erweiterten. Doch ihr Gesicht blieb ausdruckslos.

    »Gillian Edgars. Ja, das war ich. Ich wußte nicht, ob du mich in der Dunkelheit gesehen hast.«
    Vor meinem geistigen Auge entstand jener nachtschwarze Steinkreis - und in seiner Mitte das flackernde Feuer, daneben die Gestalt eines schlanken Mädchens, dessen helles Haar in der Hitze des Feuers flatterte.
    »Ich habe dich nicht gesehen«, meinte sie. »Doch später, als du bei dem Hexenprozeß plötzlich aufgeschrien hast, meinte ich, deine Stimme schon einmal gehört zu haben. Und als ich dann die Narbe auf deinem Arm bemerkte… Wer war übrigens in jener Nacht bei dir?« erkundigte sie sich

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