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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sie. »Ich frage die Mistress, ob sie Sie sehen will.«
    Der Salon war ein großer, schön geschnittener Raum mit riesigen Flügelfenstern auf einer Seite, die bis auf den Boden reichten. Am anderen Ende des Zimmers befand sich ein imposanter Kamin mit einem steinernen Aufsatz und einer Kaminplatte aus poliertem Schiefer, der fast die ganze Wand einnahm. Man hätte ohne weiteres einen Ochsen darin braten können, und der riesige Bratspieß im Kamin deutete darauf hin, daß die Hausherrin dies gelegentlich wohl auch tat.
    Die Sklavin hatte uns gebeten, auf einem Korbsofa Platz zu nehmen. Ich setzte mich und sah mich um, aber Jamie ging ruhelos im Zimmer auf und ab und sah gelegentlich aus einem der Fenster, von denen aus man auf die Zuckerrohrfelder unterhalb des Hauses blickte.
    Ein eigenartiges Zimmer: Es war behaglich mit Korb- und Rattanmöbeln eingerichtet, auf denen viele dicke Kissen lagen, aber es gab ein paar seltsame Dinge, die mir ins Auge stachen. Auf einem Fenstersims stand eine Reihe silberner Tischglocken, gestaffelt von ganz klein bis groß, und neben mir, auf einem Tischchen, befanden sich verschiedene kauernde Figuren aus Stein und Terrakotta, die wie primitive Fetische oder Götzen aussahen.
    Es handelte sich eindeutig um Frauengestalten, die entweder ungemein schwanger oder mit riesigen, vollen Brüsten und ausladenden Hüften ausgestattet worden waren. Alle jedoch strahlten eine deutliche und ziemlich beunruhigende Sexualität aus. Nun, dieses Jahrhundert war gewiß nicht prüde, aber dennoch hätte ich nie erwartet, solche Objekte in einem Salon vorzufinden.
    Etwas weniger gewagt waren die jakobitischen Andenken. Eine silberne Schnupftabaksdose, ein Glasflakon, ein verzierter Fächer, eine Servierplatte, ja, sogar der große, gewebte Teppich auf dem Boden - all diese Dinge waren mit der weißen Rose der Stuarts verziert.
Das war nicht ungewöhnlich: Viele Jakobiten, die nach der Schlacht von Culloden aus Schottland geflohen waren, hatte es auf die Westindischen Inseln verschlagen. Eine jakobitisch gesinnte Hausherrin könnte sich über den Besuch eines Landsmanns freuen und bereit sein, uns bei der Sache mit Ian entgegenzukommen. Wenn er wirklich hier ist , mahnte mich meine innere Stimme.
    Aus dem hinteren Teil des Hauses drang der Klang von Schritten. Als die Tür sich öffnete, flackerte das Kaminfeuer im Zug, und Jamie stöhnte auf, als hätte ihm jemand einen Schlag versetzt. Ich blickte auf, um mir die Hausherrin genauer anzusehen.
    Erstaunt erhob ich mich, und dabei fiel der kleine, silberne Becher, den ich in der Hand hielt, scheppernd zu Boden.
    »Wie ich sehe, hast du dir deine mädchenhafte Figur erhalten, Claire.« Mit leicht geneigtem Kopf musterten mich ihre grünen Augen amüsiert.
    Ich war viel zu überrascht, als daß ich darauf etwas hätte erwidern können, doch mir schoß der Gedanke durch den Kopf, daß man das von ihr nicht gerade behaupten konnte.
    Geillis Duncan hatte schon immer einen üppigen, milchweißen Busen und volle Hüften gehabt. Und obwohl ihre Haut noch immer milchweiß war, so hatte sie unübersehbar an Üppigkeit und Fülle zugelegt. Sie trug ein weit geschnittenes Musselinkleid, unter dem ihr weiches Fleisch bei jeder Bewegung wabbelte und schwabbelte. Ihr ehemals zart geschnittenes Gesicht war nun aufgedunsen, doch ihre leuchtendgrünen Augen glitzerten noch immer voller Bosheit und Schalk.
    Ich atmete tief durch und faßte mich wieder.
    »Ich hoffe, du verstehst mich jetzt nicht falsch«, sagte ich, während ich mich langsam auf das Korbsofa sinken ließ, »aber warum bist du nicht tot?«
    Ihr silberhelles Lachen klang wie einst.
    »Sollte ich das deiner Ansicht nach sein? Nun, du bist nicht die erste, die das findet - und ich denke, du wirst auch nicht die letzte sein.«
    Sie sank in einen Sessel, nickte Jamie lässig zu und klatschte in die Hände, um das Dienstmädchen zu rufen. »Eine Tasse Tee?« fragte sie mich. »Bitte, und später lese ich dir dann aus den Teeblättern. Dafür bin ich hier bekannt: eine gute Wahrsagerin - und
warum nicht?« Sie lachte wieder, und ihre Pausbacken röteten sich vor Freude. Falls sie das Wiedersehen genauso erschreckt hatte wie mich, überspielte sie das meisterhaft.
    »Tee«, sagte sie zu dem schwarzen Dienstmädchen, das auf ihr Klatschen hin erschienen war. »Den für besondere Gelegenheiten aus der blauen Dose, aye? Und ein paar von den Nußkeksen.«
    »Du ißt doch einen Happen, oder?« fragte sie mich. »Es ist

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