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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mich schließlich.«
    Obwohl es Dezember und bitterkalt gewesen war, hatte Dougal der Schweiß auf der Stirn gestanden. Er konnte den Blick nicht vom Gesichtchen seines schlafenden Sohnes abwenden und hatte schließlich in den Handel eingewilligt.
    Jamie zeigte keinerlei Gefühlsregung, doch er griff nach seiner Teetasse und trank einen großen Schluck.
    Dougal hatte den Gefängniswärter, John MacRae, und den Küster rufen lassen. Mit einer saftigen Bestechung stellte er sicher, daß die vermummte Gestalt, die am nächsten Morgen zum Pechfaß geschleift wurde, nicht Geillis Duncan war.
    »Ich dachte, sie würden vielleicht Stroh hernehmen«, meinte sie, »aber Dougal hatte einen besseren Plan. Drei Tage zuvor war die alte Joan MacKenzie gestorben und sollte an jenem Nachmittag beerdigt werden. Also kamen ein paar Steine in den Sarg, der Deckel wurde ordentlich zugenagelt, und damit hatte sich die Sache. Ein echter Leichnam, für das Feuer wie geschaffen!« Sie lachte und trank den letzten Schluck.
    »Wohl kaum jemand hat die Möglichkeit, seiner eigenen Beerdigung zuzusehen, und noch weniger Menschen beobachten ihre eigene Hinrichtung, aye?«
    Es war tiefster Winter, und das Ebereschenwäldchen draußen vor dem Dorf war kahl. Der Wind blies das Laub umher, und hier und da lagen vertrocknete, rote Beeren am Boden, die wie Blutstropfen schimmerten.
    Es war ein wolkenverhangener Tag, und es sah aus, als würde es schneien, aber trotzdem war das ganze Dorf auf den Beinen.
Schließlich wurde nicht alle Tage eine Hexe verbrannt. Der Dorfpfarrer, Vater Bain, war zwar drei Monate zuvor an Wundfieber gestorben, doch ein Pfarrer aus einer Nachbargemeinde sprang für ihn ein. Auf seinem Weg zum Wäldchen schwenkte der Priester das Weihrauchfaß und sang das Totengebet. Hinter ihm ging der Gefängniswärter mit seinen beiden Gehilfen. Gemeinsam zogen sie den Karren mit der in Schwarz gehüllten Fracht.
    »Die alte Joan wäre zufrieden gewesen, glaube ich«, sagte Geillis und lächelte breit. »Zu ihrer Beerdigung hätten sich sicher nicht mehr als vier oder fünf Leute zusammengefunden - doch nun war das ganze Dorf erschienen, ganz zu schweigen von dem Weihrauch und den besonderen Gebeten!«
    MacRae hatte den schlaffen Körper losgebunden und ihn zum bereitstehenden Pechfaß getragen.
    »Das Gericht hatte mir die Gnade gewährt, vor der Verbrennung erwürgt zu werden«, erzählte Geillis mit ironischem Unterton. »Man ging also nicht davon aus, mich noch lebend vorzufinden. Das einzige, was den Anwesenden hätte auffallen können, war die Tatsache, daß die alte Joan weitaus weniger wog als ich. Aber niemand schien zu bemerken, was für ein Leichtgewicht MacRae da in den Armen trug.«
    »Du warst dabei?« fragte ich konsterniert.
    Sie nickte selbstzufrieden. »Aber sicher doch. Dick vermummt, was nicht weiter auffiel, denn bei dem Wetter hatte sich jeder in einem Umhang gehüllt. Dieses Schauspiel wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.«
    Als der Priester das letzte Gebet gesprochen hatte, mit dem die Hexerei gebannt werden sollte, griff MacRae nach der Fackel, die ihm sein Gehilfe reichte, und tat einen Schritt nach vorn.
    »Herr, gewähre dieser Frau die Gnade des ewigen Lebens und vergib ihr das Böse, das sie in ihrem irdischen Leib begangen hat«, sprach er feierlich und entzündete das Pech.
    »Es ging alles viel schneller, als ich mir vorgestellt hatte«, sagte Geillis, und ihre Stimme klang ein wenig verwundert. »Ein heftiges Zischen - und schon blies uns ein heißer Luftstrom entgegen. Ein Jubeln ging durch die Menge. Außer den züngelnden Flammen, die so hoch schossen, daß sie die Äste der Ebereschen ansengten, war nichts zu sehen.«

    Doch rasch war das Feuer wieder zusammengefallen, so daß sich im fahlen Tageslicht die dunkle Gestalt abgezeichnet hatte. Die Kapuze und das Haar waren den ersten Flammen zum Opfer gefallen und das Gesicht zur Unkenntlichkeit verbrannt. Kurz darauf kamen die geschwärzten Knochen zum Vorschein.
    »Von ihren Augen blieben nur noch große, dunkle Höhlen zurück«, sagte sie und musterte mich mit verschleiertem Blick. »Ich dachte, sie starrt mich an, doch schon im nächsten Augenblick zerplatzte ihr Schädel, und alles war vorbei. Die Menge löste sich auf, nur einige blieben noch, weil sie sich ein Stück Knochen zum Andenken erhofften.«
    Schwankend stand sie auf und ging zu dem Tischchen in der Nähe des Fensters. Sie griff nach der silbernen Glocke und klingelte

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