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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und ich fragte mich, ob sie wirklich nur Tee in ihrer Tasse hatte.
    »Wißt ihr noch, es hatte bunte Bleiglasfenster! Sie schimmerten in purpur und grün - das vornehmste Haus im Ort.« Sie lächelte nostalgisch. »Als sie mir den Jungen in den Arm gelegt haben, war sein Gesicht in grünes Licht getaucht. Er sah aus, als wäre er ertrunken. Ich dachte, wenn ich ihn berühre, ist sein Körper sicher kalt wie ein Leichnam. Aber sein Körper war ganz warm. So warm wie die Eier seines Vaters.« Sie lachte plötzlich auf - ein schmutziges Lachen.
    »Warum sind die Männer nur so dumm? Zumindest eine Zeitlang tun sie alles, was man will, weil sie nur mit dem Schwanz denken. Dann gebiert man ihnen einen Sohn, und sie fressen einem wieder aus der Hand. Aber ob sie nun reinkommen oder rausgehen, für sie zählt nur, daß man mit ihnen ins Bett steigt.«
    Sie lehnte sich zurück und spreizte die Beine. Dann beugte sich sich vor und prostete mit der Tasse ihrem Venushügel zu.
    »Auf dein Wohl, mächtigste Sache der Welt! Zumindest die Schwarzen sind sich dessen bewußt.« Sie trank einen kräftigen Schluck. »Sie schnitzen kleine Götzenbilder, die nur aus Bauch, Brüsten und Vagina bestehen. Im Grunde genommen tun die Männer aus unserer Zeit, Claire, nichts anderes, oder?« Sie sah mich mit einem breiten Grinsen an. »Man braucht nur einen Blick in die schmutzigen Heftchen zu werfen, die unterm Ladentisch gehandelt werden, aye?«
    Ihr Blick fiel auf Jamie. »Und Sie kennen sicher die Bilder und Bücher, die in Paris kursieren, Rotfuchs. Es ist überall dasselbe.« Sie winkte ab und nahm noch einen kräftigen Schluck. »Aber wenigstens
haben die Schwarzen den Anstand, das Weibliche zu verehren.«
    »Sehr aufmerksam von ihnen«, sagte Jamie ruhig. Er hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und seine langen Beine ausgestreckt, doch mir entging nicht, wie angespannt er seine Teetasse umklammerte. »Und woher kennen Sie die Bilder, die die Männer in Paris betrachten, Mistress - Abernathy, wenn ich nicht irre?«
    Sie war vielleicht etwas angeheitert, aber keineswegs betrunken. Durchdringend sah sie ihn an und verzog den Mund zu einem Grinsen.
    »Oh, Mistress Abernathy ist schon in Ordnung. In Paris hatte ich einen anderen Namen - Madame Melisande Robicheaux. Gefällt er Ihnen? Ich fand ihn ja etwas zu hochtrabend, aber Ihr Onkel Dougal nannte mich so, und aus reiner Sentimentalität habe ich ihn beibehalten.«
    Meine freie Hand ballte sich unter den Falten meines Rockes zur Faust. Als wir in Paris lebten, hatte ich von Madame Melisande gehört. Sie zählte nicht zur feinen Gesellschaft, hatte es aber als Seherin zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Insgeheim konsultierten sie die Damen des Hofes, holten sich Rat in Liebesdingen, Geldangelegenheiten und bei Schwangerschaften.
    »Ich nehme an, du konntest den Damen der Gesellschaft einige interessante Dinge berichten«, meinte ich trocken.
    Diesmal klang ihr Lachen ehrlich amüsiert. »O ja, das konnte ich! Obwohl ich es nur selten tat. Die Leute zahlen nicht gern für die Wahrheit. Manchmal allerdings - wußtest du, daß Jean-Paul Marats Mutter ihr Kind ursprünglich Rudolphe nennen wollte? Ich sagte ihr, dieser Name würde unter einem unglücklichen Stern stehen. Hin und wieder komme ich deswegen ins Grübeln - wäre er mit einem Namen wie Rudolphe auch zum Revolutionär geworden, oder hätte er es beim Gedichteschreiben belassen? Na, Rotfuchs, haben Sie je darüber nachgedacht, ob ein Name etwas ändert?« Ihre grasgrünen Augen musterten Jamie durchdringend.
    »Schon oft«, erwiderte er. »Es war also Dougal, der Sie aus Cranesmuir weggebracht hat?«
    Sie nickte und unterdrückte ein Rülpsen. »Aye. Er kam, um das Kind zu holen - er hatte Angst, jemand könnte herausfinden, daß er der Vater ist. Doch ich weigerte mich, den Jungen herzugeben.
Als er mir das Kind entwinden wollte, griff ich mir den Dolch aus seinem Gürtel und drückte ihn dem Kind an die Kehle.« Als sie sich daran erinnerte, huschte ein kleines, zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht.
    »Ich sagte ihm, ich würde das Kind töten, wenn er mir nicht bei seinem Leben und dem seines Bruders schwörte, daß er mich an einen sicheren Ort bringen wollte.«
    »Hat er dir geglaubt?« Mir wurde leicht übel bei der Vorstellung, daß eine Mutter ihrem Neugeborenen ein Messer an die Kehle halten konnte - selbst wenn es nur zum Schein war.
    »O ja«, erwiderte sie sanft, und ihr Lächeln wurde breit. »Dougal kannte

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