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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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aber Angst und faßte den Entschluß, nach draußen zu gehen und mich zu suchen. Beim Überqueren einer der Straßen in unserer Gegend war sie angefahren worden.
    Zum Glück war ihr nicht viel passiert, denn das Auto war nicht besonders schnell gewesen. Sie hatte lediglich ein paar Schrammen und einen Schock abbekommen. Aber keinen so großen wie ich. Mir fuhr ein Dolch ins Herz, als ich ins Wohnzimmer kam, wo sie auf der Couch lag, mich mit tränenerfüllten Augen ansah und rief: »Mama! Wo warst du? Ich habe dich gesucht!«
    Um sie zu trösten, um sie zu untersuchen, um ihre Schürfwunden und Schnitte noch einmal zu versorgen, mußte ich alles an berufsmäßiger Fassung au f bieten, was ich besaß. Dann dankte ich ihren Rettern, die mich - wie es mir in meinem aufgewühlten Zustand schien - mit vorwurfsvollen Blicken musterten. Schließlich brachte ich Brianna ins Bett. Dann setzte ich mich an den Küchentisch und heulte.
    Frank klopfte mir schüchtern auf den Rücken und murmelte ein paar Worte. Aber bald gab er es auf und wandte sich praktischeren Dingen wie dem Teekochen zu.
    »Ich habe eine Entscheidung getroffen«, sagte ich, als er die dampfende Tasse vor mich hinstellte. Meine Stimme klang belegt, und mein Kopf dröhnte. »Ich höre auf. Gleich morgen.«
    »Aufhören?« Franks Stimme klang hell vor Erstaunen. »An der Uni? Warum das denn?«

    »Ich halte das nicht mehr aus.« Normalerweise nahm ich weder Zucker noch Sahne in meinen Tee, doch diesmal gab ich beides hinein. »Ich kann Brianna nicht mehr allein lassen, wenn ich nicht sicher sein kann, daß sie gut versorgt ist - gut versorgt und zufrieden. Du weißt ja selbst, daß sie keine unserer Babysitterinnen mochte.«
    »Ja, das weiß ich.« Er saß mir gegenüber und rührte gleichfalls in seiner Tasse. Nach längerem Schweigen sagte er: »Aber ich finde nicht, daß du deshalb aufhören solltest.«
    Das war ungefähr das letzte, was ich erwartet hatte. Ich hatte mit erleichtertem Beifall gerechnet. Erstaunt sah ich auf.
    »Das findest du nicht?«
    »Ach, Claire!« Das klang zwar ungeduldig, doch es schwang ein Funke Zuneigung darin mit. »Du hast immer ganz genau gewußt, was du willst. Weißt du eigentlich, wie ungewöhnlich das ist?«
    »Nein.« Ich putzte mir die Nase mit einem zerknüllten Papiertaschentuch.
    Frank lehnte sich zurück und sah mich kopfschüttelnd an. »Nein, anscheinend nicht.« Eine Weile schwieg er. »Bei mir ist das anders«, sagte er schließlich. »Ich bin gut in meinem Beruf - im Unterrichten und Schreiben - manchmal sogar besser als der Durchschnitt. Und mir macht die Arbeit Spaß. Aber…« - er zögerte und sah mich dann mit seinen haselnußbraunen Augen ernst an - »ich könnte auch etwas anderes tun und wäre genausogut. Und hätte den gleichen Spaß daran. Ich habe nicht diese unverrückbare Vorstellung davon, was meine Bestimmung ist - du hingegen schon.«
    »Ist das etwas Gutes?« Meine Nase war wund und meine Augen vom vielen Weinen geschwollen.
    Er lachte auf. »Zunächst einmal ist es verdammt unbequem, Claire. Für dich und für mich und für Brianna. Aber, bei Gott, manchmal beneide ich dich wirklich.«
    Er streckte mir seine Hand entgegen, und nach kurzem Zögern nahm ich sie.
    »So voller Leidenschaft auf die Dinge - und auf Menschen - zuzugehen, das ist etwas ganz Besonderes. Und selten noch dazu.« Sanft drückte er meine Hand und ließ sie dann los. Eine Weile saßen wir da und schwiegen. Wohin mochte mein Weg wohl führen?

    Was hatte ich aus meinem Leben gemacht, fragte ich mich. Was machte ich gerade? Ein heilloses Durcheinander. Ich war weder eine gute Mutter noch eine gute Ehefrau, noch eine gute Ärztin. Einst war das anders gewesen, da hatte ich einen Mann geliebt, ein Kind ausgetragen, die Kranken geheilt - all das ein selbstverständlicher Teil meines Lebens und nicht die komplizierten, zusammenhanglosen Bruchstücke, zwischen denen ich mich nun hin-und hergerissen fühlte. Aber das gehörte der Vergangenheit an. Mit Jamie und meiner Liebe zu ihm hatte ich mich als Teil eines größeren Ganzen gefühlt.
    »Ich kümmere mich um Brianna.«
    Ich war so sehr in meine traurigen Betrachtungen vertieft, daß ich Franks Worte zunächst nicht begriff.
    »Was hast du gesagt?«
    »Ich habe gesagt«, wiederholte er geduldig, »daß ich mich um Brianna kümmere. Sie kann nach der Schule zu mir in die Universität kommen und in meinem Büro spielen, bis ich Dienstschluß habe.«
    Ich rieb mir die Nase. »Aber du

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