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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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der Karte, die mit einer Klammer an die Vorderseite geheftet war.
    »Ardsmuir?« fragte ich verwundert. »Wo zum Teufel liegt Ardsmuir?«

8
    Ein Gefangener in Ehren
    Ardsmuir, Schottland, 15. Februar 1755
    »Ardsmuir ist der Karbunkel am Hintern Gottes«, erklärte Oberst Harry Quarry. Mit einem süffisanten Lächeln trank er dem jungen Mann am Fenster zu. »Seit zwölf Monaten bin ich hier, und das sind elf Monate und neunundzwanzig Tage zuviel. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem neuen Posten, Mylord.«
    Major John William Grey wandte sich von dem Fenster ab, durch das er seine neue Domäne in Augenschein genommen hatte.
    »Es wirkt hier in der Tat etwas ungemütlich«, entgegnete er trocken und hob sein Glas. »Regnet es hier ständig?«
    »Natürlich. Wir sind in Schottland - im letzten Eck von Schottland.« Quarry nahm einen großen Schluck Whisky, hustete und stieß hörbar den Atem aus, als er das leere Glas absetzte.
    »Der Alkohol hier ist der einzige Lichtblick«, sagte er heiser. »Suchen Sie in Ihrer besten Uniform die ansässigen Schnapshändler auf, und man wird Ihnen einen günstigen Preis bieten. Ohne den Zollaufschlag kommt der Schnaps erstaunlich billig. Die besten Brennereien habe ich Ihnen aufgeschrieben.« Er deutete mit dem Kopf zu dem wuchtigen Schreibtisch aus Eichenholz, der sich auf der anderen Seite des Zimmers wie ein kleines Bollwerk erhob.
    »Hier ist der Dienstplan der Wärter«, erklärte Quarry, erhob sich und griff in die obere Schublade. Er knallte erst eine und dann eine zweite abgegriffene Ledermappe auf die Schreibfläche. »Und die Liste mit den Gefangenen. Im Augenblick haben wir hundertsechsundneunzig, normalerweise sind es zweihundert. Die Anzahl schwankt: Hin und wieder stirbt einer, dafür kommt dann der eine oder andere Wilderer hinzu, der in der Gegend aufgegriffen wird.«

    »Zweihundert«, wiederholte Grey. »Und wie viele Wachsoldaten sind in den Kasernen?«
    »Zweiundachtzig, aber wirklich rechnen können Sie nur mit der Hälfte.« Quarry griff erneut in die Schublade und förderte eine verkorkte Glasflasche zutage. Er schüttelte sie und lächelte mokant, als er den Inhalt schwappen hörte. »Nicht nur der Kommandant tröstet sich mit Alkohol. Für gewöhnlich ist die Hälfte der Wachsoldaten beim Appell nicht zu gebrauchen. Ich überlasse Ihnen die Flasche. Sie werden sie brauchen.« Er legte sie zurück und zog die untere Schublade heraus.
    »Hier sind die Anforderungslisten und Zweitschriften. Der Papierkram ist das Schlimmste an dem Posten. Eigentlich gibt es nicht sonderlich viel zu tun, wenn man einen guten Sekretär hat. Leider gibt es im Augenblick keinen. Ich hatte einen Korporal mit einer annehmbaren Handschrift, aber er ist vor zwei Wochen gestorben. Wenn Sie sich einen neuen heranziehen, haben Sie nichts weiter zu tun, als auf die Jagd nach Moorhühnern und nach dem Gold des Franzosen zu gehen.« Er lachte über seinen Scherz. Die Gerüchte über das Gold, das Louis von Frankreich seinem Cousin Charles Stuart angeblich hatte zukommen lassen, waren in diesem Teil Schottlands in aller Munde.
    »Und die Gefangenen - sind die nicht schwierig?« fragte Grey. »Wie ich gehört habe, handelt es sich bei ihnen hauptsächlich um jakobitische Hochlandschotten.«
    »Das stimmt. Aber sie sind recht fügsam.« Quarry schwieg und schaute aus dem Fenster. Eine kleine Gruppe zerlumpter Männer trat soeben aus der Tür in der düsteren Mauer gegenüber. »Nach Culloden ist ihnen das Herz in die Hose gerutscht«, meinte er nüchtern. »Dafür hat schon der Herzog von Cumberland mit seiner Unnachgiebigkeit gesorgt. Und wir nehmen die Männer so hart ran, daß ihnen nicht die Kraft bleibt, sich aufzulehnen.«
    Grey nickte. Die Mauern der Festung Ardsmuir wurden derzeit erneuert, und man bediente sich dabei pikanterweise der Arbeitskraft der Schotten, die darin eingekerkert waren. Grey stand auf und stellte sich neben Quarry.
    »Da ist ein Arbeitstrupp, der zum Torfstechen aufbricht.« Quarry deutete mit einem Kopfnicken auf die Gruppe unten im Hof. Ein Dutzend bärtiger Männer stellte sich vor einem Soldaten
in roter Uniform auf. Nachdem der Mann die Reihe mehrmals abgegangen war, erteilte er einen Befehl und wies mit der Hand in Richtung Gefängnistor.
    Die Häftlinge wurden von sechs bewaffneten Soldaten begleitet, die sich hinter und vor ihnen postiert hatten und ihre Musketen im Anschlag hielten. Die Gefangenen gingen langsam, ungeachtet des Regens, der ihre Kleidung

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