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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Neugier.
    »Aye, ich glaube dir, Ian. Und dann hat sie ihr Liebesspiel mit dir getrieben?«
    »Liebe?« Ian klang nachdenklich. »Nein - ich meine, ich weiß nicht. Es… sie… sie hat meinen Schwanz zum Stehen gebracht, und dann hieß sie mich zum Bett gehen und mich hinlegen. Und dann hat sie mit mir Sachen gemacht. Aber es war längst nicht so wie mit Mary.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, entgegnete sein Onkel trocken.
    »Mein Gott, es war ein seltsames Gefühl!« An Ians Stimme hörte ich, daß es ihn schauderte. »Irgendwann mittendrin habe ich aufgesehen, und da stand der Schwarze direkt vor dem Bett und hielt den Kerzenständer. Sie befahl ihm, ihn höher zu heben, damit sie besser sehen könne.« Er schwieg und nahm einen Schluck aus einer der Flaschen. Dann atmete er bebend aus.
    »Onkel Jamie, hast du je… mit einer Frau zusammengelegen, obwohl du es eigentlich gar nicht wolltest?«
    Jamie zögerte einen Augenblick. »Aye, Ian, das habe ich«, sagte er dann.
    »Oh!« Der Junge verstummte, und ich hörte, wie er sich am Kopf kratzte. »Aber wie kann so was angehen? Man tut es, ohne es zu wollen, und man haßt sich, weil man es tut, aber trotzdem ist es ein gutes Gefühl!«
    Jamie lachte trocken auf.

    »Tja, das kommt, weil dein Schwanz kein Gewissen hat, dein Kopf aber schon.« Er ließ meine Schulter los und wandte sich zu seinem Neffen um. »Gräme dich nicht, Ian. Du konntest nichts dagegen tun, und es sieht ganz so aus, als ob es dir das Leben gerettet hat. Die anderen Jungen - die, die nicht zurückgekommen sind - wußtest du, ob sie noch jungfräulich waren?«
    »Bei einigen wußte ich es sicher, denn schließlich hatten wir ja genügend Zeit zum Reden. Nach einer Weile kannten wir uns in-und auswendig. Einige haben damit geprotzt, daß sie mit einem Mädchen gehen, aber so, wie sie darüber geredet haben, glaube ich nicht, daß sie es… wirklich schon getan hatten.« Er schwieg, als würde er sich nicht trauen, die Frage, die ihm auf der Zunge lag, auszusprechen.
    »Onkel, weißt du, was mit ihnen geschehen ist? Mit den anderen Jungen?«
    »Nein, Ian«, sagte Jamie, ohne zu zögern. »Ich habe keine Ahnung.« Dann lehnte er sich gegen den Baumstamm und seufzte. »Glaubst du, du kannst schlafen? Wenn ja, dann solltest du es jetzt tun, denn bis zur Küste haben wir morgen noch einen langen Marsch vor uns.«
    »O ja, ich kann schlafen«, versicherte Ian seinem Onkel. »Aber sollte ich nicht besser Wache halten? Du bist schließlich angeschossen worden und solltest dich ausruhen.« Er schwieg, bevor er schüchtern fortfuhr. »Ich habe dir noch gar nicht gedankt, Onkel Jamie.«
    Jamie lachte wieder, aber diesmal freier.
    »Ist schon gut, Ian«, sagte er, noch immer lachend. »Leg dich aufs Ohr und schlafe. Ich wecke dich, wenn es nötig sein sollte.«
    Ian rollte sich gehorsam zusammen, und nach kurzer Zeit atmete er tief. Aufseufzend ließ Jamie sich zurücksinken.
    »Willst du nicht auch schlafen, Jamie?« Ich setzte mich neben ihn. »Ich bin hellwach und kann achtgeben.«
    Er hatte die Augen geschlossen. Auf seinen Lidern tanzte der Schein der ersterbenden Flammen. Er lächelte und nahm meine Hand.
    »Nein. Wenn es dir nichts ausmacht, bleibe bei mir sitzen und halte Ausschau. Die Kopfschmerzen sind nicht so schlimm, wenn ich die Augen schließe.«

    Eine Weile blieben wir in stiller Eintracht sitzen und hielten uns an den Händen. Gelegentlich ertönte aus dem Dschungel der Schrei eines Tieres oder ein anderes fremdartiges Geräusch, doch bedrohlich schien uns nichts von allem.
    »Fahren wir zurück nach Jamaika?« fragte ich schließlich. »Um Fergus und Marsali zu holen?« Jamie setzte zu einem Kopfschütteln an, stöhnte jedoch statt dessen erstickt auf.
    »Nein«, sagte er. »Wir segeln besser nach Eleuthera. Das ist im Besitz der Holländer und damit für uns neutraler Boden. Innes kann mit John Greys Schiff zurückkehren und Fergus ausrichten, er soll nachkommen. Wenn man bedenkt, was alles geschehen ist, würde ich lieber nicht mehr nach Jamaika zurück.«
    »Recht hast du!« Wir schwiegen eine Weile. »Ich frage mich, wie Mr. Willoughby - Yi Tien Tschu, meine ich - zurechtkommt. Wenn er in den Bergen bleibt, wird ihn wahrscheinlich niemand finden, aber…«
    »Ach, der schlägt sich schon durch«, fiel Jamie mir ins Wort. »Schließlich hat er den Pelikan, der für ihn Fische fängt.« Er lächelte schief. »Und wenn er schlau ist, macht er sich auf den Weg nach Süden, nach Martinique.

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