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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zog rasch weiter. Als wir ins Freie stolperten und uns blinzelnd an das Tageslicht zu gewöhnen versuchten, hatte der Regen bereits wieder aufgehört. Statt dessen lag die Welt wie frisch gewaschen vor uns.
    Stern hatte unter einer Palme in der Nähe des Höhleneingangs Schutz gesucht. Als er uns erblickte, sprang er auf. Ein Ausdruck von Erleichterung zog über sein faltiges Gesicht.
    »Alles in Ordnung?« fragte er, als er sah, daß Jamie blutete.
    Jamie nickte mit einem schiefen Lächeln.
    »Es geht schon«, sagte er. Dann wies er auf Ian. »Darf ich Ihnen meinen Neffen Ian Murray vorstellen? Ian, das ist Dr. Stern. Er war uns eine große Hilfe bei der Suche nach dir.«
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar, Doktor«, sagte Ian und machte einen Diener. Er wischte sich mit dem Ärmel über das schmutzige Gesicht. Dann sah er Jamie an.
    »Ich wußte, daß du kommen würdest, Onkel Jamie.« Er grinste schüchtern. »Aber du hast dir verdammt lang Zeit gelassen.« Plötzlich begann er zu zittern. Er kämpfte mit den Tränen.
    »Das stimmt, und es tut mir leid, Ian. Komm her, a bhalaich .« Jamie streckte die Arme aus und zog den Jungen an die Brust. Er klopfte ihm auf den Rücken und murmelte ihm gälische Worte zu.
    Ich beobachtete die beiden. Erst nach einer Weile wurde mir bewußt, daß Stern mit mir sprach.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Mrs. Fraser?« fragte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er meinen Arm.
    »Ich weiß nicht so recht.« Ich fühlte mich völlig ausgebrannt, erschöpft wie nach einer Geburt, aber ohne das erhebende Gefühl, das dazugehört. Mir erschien alles unwirklich: Jamie, Ian, Stern, sie kamen mir vor wie Spielzeugpuppen, die sich in weiter Ferne befanden und deren Worte ich nur unter großer Anstrengung verstand.

    »Vielleicht sollten wir diesen Ort verlassen«, sagte Stern mit einem Blick auf das Erdloch, aus dem wir aufgetaucht waren. Man sah ihm an, daß er sich unwohl fühlte. Nach Mrs. Abernathy fragte er nicht.
    »Da haben Sie wohl recht.« Noch immer stand mir das Bild der Höhle vor Augen - wenngleich es mir ebenso unwirklich erschien wie der üppige grüne Dschungel und die grauen Felswände vor uns. Ohne auf die Männer zu warten, wandte ich mich um und ging los.
    Das Gefühl der Unwirklichkeit wurde stärker, als wir unterwegs waren. Ich kam mir vor wie ein Automat mit einem Kern aus Eisen, der von einem Uhrwerk angetrieben wurde. Und so stapfte ich hinter Jamies breitem Rücken her, durch Blattwerk und Lichtungen, durch Sonne und Schatten, ohne darauf zu achten, wohin wir gingen. Schweiß lief mir über die Stirn und tropfte mir in die Augen, doch ich machte mir kaum die Mühe, ihn fortzuwischen. Nach langem Marsch, bei Sonnenuntergang, hielten wir in einer kleinen Lichtung an einem Flußufer und schlugen unser einfaches Lager auf.
    Ian hatte den Auftrag bekommen, Feuerholz zu sammeln, während Stern Nahrung suchte. Ich hieß Jamie, sich mit einem Tiegel Wasser hinzusetzen, damit ich seine Kopfwunde versorgen konnte. Als ich ihm das Blut aus Haaren und Gesicht wusch, stellte ich zu meiner Verwunderung fest, daß die Kugel tatsächlich nicht die Bahn durch den Schädel genommen hatte. Statt dessen hatte sie direkt über dem Haaransatz die Haut aufgerissen und war, wie mir schien, im Kopfinnern steckengeblieben. Eine Austrittswunde konnte ich nicht finden. Fassungslos wühlte ich mich durch seine dichten Locken, bis mir ein Aufschrei des Patienten verriet, daß ich auf die Kugel gestoßen war.
    Am Hinterkopf hatte er eine dicke, runde Beule. Die Pistolenkugel war direkt unter der Haut am Schädel entlanggefahren und am Hinterkopf steckengeblieben.
    »Jesus H. Roosevelt Christ!« rief ich aus. Ungläubig tastete ich die Stelle noch einmal ab, aber ich hatte mich nicht geirrt. »Du hast immer gesagt, dein Schädel sei hart wie Stein. Verdammt noch mal, du hast dich nicht getäuscht! Geillis hat direkt auf deinen Kopf gezielt, aber die Kugel ist abgeprallt.«

    Jamie, der das Gesicht während meiner Untersuchung in die Hände gestützt hatte, gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen Schnauben und Stöhnen angesiedelt war.
    »Aye«, sagte er, »das wissen wir ja alle. Aber wenn Mistress Abernathy die volle Ladung Pulver genommen hätte, hätte mich mein Dickschädel auch nicht retten können.«
    »Tut es sehr weh?«
    »Die Wunde nur ein wenig. Aber ich habe schreckliche Kopfschmerzen.«
    »Nur noch einen Augenblick, dann entferne ich die Kugel.«
    Da wir nicht wußten, in

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