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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Dort gibt es eine kleine Kolonie chinesischer Händler, und ich hatte ihm versprochen, ihn dorthin zu bringen, sobald wir unsere Angelegenheiten in Jamaika erledigt hätten.«
    »Bist du nicht wütend auf ihn?« Ich sah ihn neugierig an, doch sein Gesicht im Schein der Flammen wirkte glatt und friedlich.
    Diesmal dachte er rechtzeitig daran, den Kopf nicht zu bewegen. Er zuckte lediglich mit den Achseln und zog eine Grimasse.
    »Ach, nein. Ich glaube, er hat nicht groß darüber nachgedacht, was er tut. Oder er hat nicht verstanden, wohin es führen würde. Es wäre doch dumm, einen Mann zu hassen, nur weil er einem nicht geben kann, was man von ihm will - und zwar deshalb, weil er es nicht hat.« Er öffnete die Augen und lächelte leise. Ich wußte, er dachte an John Grey.
    Ian zuckte im Schlaf zusammen. Er schnarchte laut auf und rollte sich dann mit ausgebreiteten Armen auf den Rücken. Als Jamie seinen Neffen ansah, wurde sein Lächeln breiter.
    »Gott sei Dank«, sagte er. »Er jedenfalls fährt mit dem ersten Schiff, das Segel setzt, zurück zu seiner Mutter nach Schottland.«

    »Ich weiß nicht«, entgegnete ich, »vielleicht möchte er gar nicht nach Lallybroch zurückkehren, nach all den Abenteuern, die er erlebt hat.«
    »Mich kümmert nicht, ob er das will oder nicht«, sagte Jamie ungerührt. »Er fährt zurück, und wenn ich ihn in eine Kiste stecken muß. Suchst du was, Sassenach?« fragte er, als er merkte, daß ich in meinem Medizinkasten wühlte.
    »Ich habe es schon«, entgegnete ich, während ich das flache Etui mit den Spritzen herauszog. Ich klappte es auf und inspizierte im schwachen Licht sorgfältig seinen Inhalt. »Gut. Es reicht noch für eine kräftige Dosis.«
    Jamie richtete sich noch weiter auf.
    »Aber ich habe kein Fieber«, protestierte er, während er mich besorgt musterte. »Wenn du meinst, du kannst mir diese schmutzige Nadel in den Kopf schieben, dann hast du dich geirrt.«
    »Das ist nicht für dich«, stellte ich richtig, »sondern für Ian. Es sei denn, du möchtest ihn mit Syphilis und anderen netten Geschlechtskrankheiten zu seiner Mutter zurückschicken.«
    Erschrocken runzelte Jamie die Stirn, doch gleich darauf zuckte er vor Schmerz zusammen.
    »Oje! Syphilis? Glaubst du wirklich?«
    »Es sollte mich nicht wundern. Zu dem Symptomen im fortgeschrittenen Stadium gehört ausgeprägter Schwachsinn - obwohl das im Fall von Geillis schwer zu beurteilen ist. Aber besser, wir gehen auf Nummer Sicher, oder?«
    Jamie schnaubte belustigt. »Nun, das wird den Jungen lehren, was bei seiner Bummelei herauskommt. Am besten, ich lenke Lorenz ab, während du Ian hinter dem Busch seine Medizin verabreichst. Lorenz ist ja ein verdammt netter Kerl, aber auch furchtbar neugierig. Nach alledem möchte ich nicht, daß du in Kingston als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt wirst.«
    »Das wäre peinlich für den Gouverneur«, gab ich ihm recht, »obwohl er persönlich wahrscheinlich seine Freude daran hätte.«
    »Das glaube ich nicht, Sassenach.« Jamie sprach ebenso trocken wie ich. »Ist mein Rock in Reichweite?«
    Ich fand das Kleidungsstück zusammengefaltet in meiner Nähe auf dem Boden. »Ist dir kalt?«

    »Nein.« Er lehnte sich zurück und breitete den Rock über seine Knie. »Ich wollte nur meine Kinder in der Nähe wissen, wenn ich schlafe.« Er lächelte mich an, faltete die Hände über der Jacke mit den Bildern und schloß wieder die Augen. »Gute Nacht, Sassenach.«

63
    Aus den Tiefen
    Am folgenden Morgen marschierten wir einigermaßen munter und gestärkt von unserem Frühstück aus Zwieback und Bananen zur Küste - selbst Ian, der nach der ersten Viertelmeile sein ostentatives Humpeln aufgab. Als wir auf den Pfad stießen, der an den Strand führte, bot sich uns ein erstaunlicher Anblick.
    »Herr im Himmel, das sind sie«, brach es aus Ian hervor. »Die Piraten!« Er wandte sich um und machte Anstalten, zurück in die Berge zu flüchten, aber Jamie hielt ihn am Arm fest.
    »Nicht die Piraten«, sagte er. »Das sind Sklaven. Sieh doch!«
    Da sie keine Erfahrung mit einem Schiff dieser Größe besaßen, waren die entflohenen Sklaven offensichtlich auf Umwegen und nur unter einigen Mühen nach Hispaniola gelangt. Bei ihrer Ankunft vor der Insel hatten sie die Bruja prompt auf Grund gesetzt. Jetzt lag sie gekentert im seichten Wasser des Küstenstreifens. Unter aufgeregtem Rufen lief ein Teil der Sklaven am Strand entlang, andere suchten Zuflucht im Dschungel, nur wenige

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