Ferne Ufer
durchnäßte. Ihnen folgte ein knarrender Eselskarren, in dem eine Handvoll Torfmesser glänzte.
Quarry zählte die Marschierenden und runzelte die Stirn. »Einige scheinen krank zu sein. Ein Trupp besteht aus achtzehn Männern - drei Gefangene pro Wärter wegen der Messer. Obwohl sie nur selten versuchen, sich aus dem Staub zu machen«, fügte er hinzu und wandte sich vom Fenster ab. »Vermutlich wüßten sie gar nicht, wohin.« Er entfernte sich vom Schreibtisch und stieß dabei einen großen geflochtenen Korb zur Seite, der vor der Feuerstelle stand und mit großen dunklen Brocken gefüllt war.
»Lassen Sie auch bei Regen das Fenster offen«, empfahl er. »Sonst ersticken Sie womöglich vor lauter Torfrauch.« Zur Veranschaulichung atmete er tief ein und ließ die Luft zischend wieder entweichen. »Mein Gott, bin ich froh, nach London zurückzugehen!«
»Vermutlich gibt es hier kein besonders reges Gesellschaftsleben, oder?« fragte Grey trocken. Quarry lachte belustigt auf.
»Gesellschaft? Mein lieber Freund! Abgesehen von ein oder zwei Dorfgrazien besteht die hiesige ›Gesellschaft‹ allein aus Ihren vier Offizieren, von denen einer in der Lage ist zu reden, ohne zu fluchen, und einem Häftling.«
»Einem Häftling?« Fragend blickte Grey von den Büchern auf, die er sorgfältig durchsah.
»Ja.« Rastlos wanderte Quarry im Büro auf und ab. Er wollte endlich gehen. Seine Kutsche wartete bereits. Er war nur geblieben, um seinen Nachfolger kurz einzuweisen und das Kommando offiziell zu übergeben. Jetzt hielt er inne und warf einen leise amüsierten Blick auf Grey.
»Sie haben vom roten Jamie Fraser gehört, nehme ich an.«
Grey erstarrte, verzog jedoch keine Miene.
»Es gibt vermutlich kaum jemanden, der ihn nicht kennt«, erwiderte er kühl. »Dieser Mann war während des Aufstands bekannt
wie ein bunter Hund.« Verdammt, Quarry wußte etwas! Kannte er alles oder nur den Anfang?
Quarrys Mund zuckte, aber er nickte nur.
»Richtig. Jetzt haben wir ihn. Er ist hier der einzige jakobitische Offizier von Rang, und die gefangenen Schotten behandeln ihn wie ihren Anführer. Deshalb tritt er als ihr Sprecher auf, falls es irgendwelche Schwierigkeiten mit den Häftlingen gibt - und ich versichere Ihnen, die werden nicht ausbleiben.« Quarry setzte sich und streifte seine hohen Reitstiefel über.
» Seumus, mac an fhear dhuibh , nennen sie ihn, oder auch einfach nur Mac Dubh . Sprechen Sie Gälisch? Ich auch nicht. Aber Grissom ist in der Sprache bewandert, und er sagt, es bedeutet ›James, Sohn der Hölle‹. Die Hälfte der Wachmannschaft fürchtet sich vor ihm, vor allem die, die mit Cope in der Schlacht von Prestonpans gekämpft haben. Sie sagen, er sei der Teufel in Person. Jetzt ist er wohl eher ein armer Teufel!« Quarry schnaubte.
»Die Gefangenen gehorchen ihm ohne Widerrede. Ihnen Befehle zu erteilen, ohne sie sich von ihm bestätigen zu lassen, ist, als spräche man in den Wind. Schon jemals mit Schotten zu tun gehabt? Ach, natürlich. Sie haben ja in Culloden im Regiment Ihres Bruders gekämpft.« Quarry schlug sich an die Stirn ob seiner vorgeblichen Vergeßlichkeit. Verdammt! Der Mann wußte alles.
»Dann wissen Sie ja Bescheid. Starrköpfig ist noch weit untertrieben.« Mit einer lässigen Handbewegung tat er ein ganzes Heer aufsässiger Schotten ab.
»Und das bedeutet…« - Quarry legte eine Pause ein - »daß Sie auf Frasers guten Willen oder zumindest seine Unterstützung angewiesen sind. Einmal die Woche ließ ich ihn bei mir zum Abendessen antreten, um das, was anstand, zu besprechen, was er nicht ungern befolgte. Sie könnten eine ähnliche Regel einführen.«
»Das könnte ich.« Greys Stimme klang gleichgültig, doch er hatte die Hände zu Fäusten geballt. Da müßten Ostern und Weihnachten schon auf einen Tag fallen, bevor er mit Jamie Fraser zu Abend aß!
»Er ist ein gebildeter Mann«, fuhr Quarry fort und hielt seine boshaft funkelnden Augen auf Grey gerichtet. »Weitaus anregender als die Offiziere. Außerdem spielt er Schach. Sie doch auch, nicht wahr?«
»Hin und wieder.« Grey konnte kaum noch atmen, so angespannt waren seine Bauchmuskeln. Konnte dieser Dummkopf nicht endlich mit seinem Geschwätz aufhören und verschwinden?
»Nun gut, jetzt überlasse ich Ihnen das Feld.« Als hätte er Greys Wunsch erraten, rückte Quarry sich die Perücke zurecht, nahm seinen Umhang vom Haken neben der Tür und schwang ihn sich verwegen um die Schultern. An der Tür wandte er sich
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