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Fessel Mich

Fessel Mich

Titel: Fessel Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Wolff
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näheren Blick darauf zu werfen – in seine Brieftasche stopft. Ich habe keine Ahnung, wie er das anstellt, dass ihm die Kunden bei einer Gesamtsumme von, sagen wir, 7,50 Euro einen Zehner in die Hand drücken und freundlich – oder betrunken – lächelnd: »Passt so!«, sagen.
    Ich kriege – wenn überhaupt – die fünfzig Cent, und das ist auch eher ein Seltenheitsfall. Vielleicht sollte ich doch mal versuchen, dieses unverbindliche Lächeln auf meinen Lippen festzukleben. Scheint ja doch irgendwie zu helfen. Aber dann würde mir immer noch das Smalltalk-Talent fehlen. Schätzungsweise ist es genau das, was Piet so reich macht. Noch reicher.
    Frederick kreuzt um kurz vor sechs auf und entgegen meiner Erwartungen hält Piet bezüglich unseres ungebetenen Übernachtungsgastes sogar die Klappe. Da der Ausreißer allerdings auch tatsächlich nichts angefasst und noch beinahe alles auf seinem Platz gestanden hat, besteht dazu auch gar keine Veranlassung.
    Mit einem zufriedenen Brummen nimmt Frederick das viele Geld in der Kassette wahr, ist aber wohl auch nicht so glücklich damit, dass er unseren Lohn spontan etwas anhebt.
    Um kurz nach sechs, als gerade eine größere Verkaufslücke ist, räumen Piet und ich für Frederick und seinen Freund, der ihm in seiner Schicht aushilft, die Bude.
    »Mann!« Piet reibt sich die Hände, formt dann einen Hohlraum mit ihnen und pustet kräftig hinein. »Noch zwei Minuten länger und ihr hättet mich als Eisskulptur da raus holen können!«
    »Hm-hm«, mache ich zustimmend und vergrabe mein Gesicht tiefer im Schal. Diese Erkenntnis habe ich schon heute morgen gehabt.
    »Und, was machst du jetzt noch?«, versucht Piet, das Gespräch nicht einschlafen zu lassen. Er scheint immer noch nicht begriffen zu haben, dass Smalltalk im Allgemeinen nicht so ganz mein Fall ist – völlig egal ob vor, nach oder während unserer gemeinsamen Schichten.
    Ich zucke mit den Schultern. »Nach Hause fahren. Mal gucken.«
    »Also, ich werde meine Freundin gleich erst mal überreden, ein heißes Bad mit mir zu nehmen!« Er wackelt vielsagend mit den Augenbrauen. »Das ist das beste Mittel, um wieder aufzutauen.«
    »Wenn du das sagst.«
    Piet blinkt mich ein paar Sekunden sprachlos an, dann bricht er in schallendes Gelächter aus und schlägt mir freundschaftlich auf die Schulter. »Entschuldige, Kumpel, da du neunzehn bist, dachte ich irgendwie, du hättest von solchen Dingen eine Ahnung.«
    Unwillig verziehe ich den Mund. »Mach’ dir mal um meine Ahnungen keine Gedanken. Die reichen wahrscheinlich sogar noch weiter als deine.« Im Falle von Patrizia heißt das allerdings eher leider. Auf diese Erfahrung hätte ich gut und gerne verzichten können.
    »Hä?«, macht Piet wenig ästhetisch und folgt mir automatisch, als ich mich in Bewegung setze, um hinter der Bude endlich mein Fahrrad abzuholen. Allerdings hält Piet mich verwirrt am Arm zurück. »Wie meinst du das denn?«
    »Ich bin schwul«, sage ich unumwunden und biege um die Holzbude herum. Ich strecke schon die Hände nach meinem Fahrrad aus, als ich mitten in der Bewegung verwundert inne halte. »Hey, wo... wo ist mein Rad?«
    Piet kommt um die Ecke. »Was?«
    »Mein Fahrrad!« Ich deute auf den leeren Fleck an der Glühweinbudenwand. Piets Superbike steht ein paar Meter entfernt unangetastet in einem Fahrradständer.
    »Nein, ich meine... du stehst auf Männer?«
    Beinahe sprachlos drehe ich mich zu ihm um. »Hast du gerade mitgekriegt, was ich gesagt habe?«
    »Du bist schwul«, verkündet er im Brustton der Überzeugung.
    Oh Mann! »Mein Fahrrad ist weg!«
    »Dein...« Sein Blick gleitet automatisch zur Rückwand der Glühweinbude. »Oh. Hast...« Piet versucht sichtlich, zum wichtigeren Thema zurückzukommen. »Hast du es denn nicht angeschlossen?«
    »Ich schließe es schon die ganze Woche nicht an.«
    »Hm, na... dann darfst du dich aber nicht wundern.«
    Wie bitte? Fehlt nur noch, dass er vor meinem Gesicht mit seinem Zeigefinger herumfuchtelt, weil er ja der Erwachsene ist, der alles besser weiß.
    »Du, ähm... du stehst aber nicht auf mich, nein?«
    Ich starre ihn an, als hätte er mich gerade gefragt, ob ich – nur um mir meiner sexuellen Neigung auch wirklich sicher zu sein – nicht mal seine Freundin flachlegen will. Am besten noch während ihres romantischen Urlaubs in Andalusien.
    »Nur weil ich dir sage, dass ich schwul bin, mache ich dir nicht automatisch eine Liebeserklärung.«
    »Oh.« Er lacht erleichtert auf. »Na,

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