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Fessel Mich

Fessel Mich

Titel: Fessel Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Wolff
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an anderen hellgrau bis dunkelgrau ist. An seiner linken Augenbraue steckt ein unauffälliges Piercing und seine Klamotten sehen ziemlich verlottert aus. Da bin ich mir allerdings nicht sicher, ob das Absicht ist oder von den Tagen zeugt, die er schon auf der Straße lebt.
    Als er sich aus dem Stoffhaufen eine schwarze Jacke mit zig Buttons und Aufnähern fischt, die ein erstaunlich dickes Innenfutter zu haben scheint, bemerkt er, dass Piet und ich ihn beobachten.
    »Was denn, zur Hölle? Ich bin doch schon dabei, meinen Kram zu packen!«
    »Vielleicht...«, setzt Piet ein wenig unsicher an und tauscht einen kurzen Blick mit mir aus. »Vielleicht würde es dir ganz gut tun, von der Polizei gefunden zu werden. Deine... deine Eltern machen sich bestimmt Sorgen.«
    Der Ausreißer – oder sollte ich besser sagen: Freak? – runzelt verärgert die Stirn, während er in seine Jacke schlüpft. »Kümmer’ dich doch einfach um dein’ eigenen Scheiß, ja?«
    »Würden wir ja«, antworte ich. »Wir warten nur noch darauf, dass du hier endlich verschwindest.«
    Mittlerweile geht es auf zwanzig nach elf zu und mehrere Buden um uns herum sind ebenfalls dabei, sich für die Kundschaft fertig zu machen, oder haben gar schon alles aufgestellt. Die ersten Weihnachtsmarktverrückten tummeln sich auch bereits zwischen den einzelnen Buden, obwohl es eigentlich immer noch viel zu früh ist.
    Allerdings habe ich keine Lust, dass plötzlich Frederick um die Ecke kommt, weil er meint, nach uns sehen zu müssen. Auch wenn’s nur ein Hungerlohn ist, ich hänge an dem Geld und will nicht riskieren, dass Frederick uns aus einer Laune heraus raus wirft.
    »Vincent... wir können doch nicht –«
    »Natürlich können wir. Bin ich die Wohlfahrt? Er hat sich das doch wohl selbst eingebrockt.« Ich sehe zu dem Freak hinüber, dem meine Worte offensichtlich nicht so ganz schmecken, so, wie der mich anfunkelt. Was, hat er vielleicht geglaubt, ich spendiere ihm aus Nächstenliebe einen Glühwein?
    »Geh’ wieder nach Hause. Da musst du nirgendwo einbrechen, um dir nachts nicht den Arsch abzufrieren.«
    Er sieht aus hellen Augen zu mir hoch. »Steck’ dir deine Samaritertipps sonst wohin.«
    »Gleich, nachdem du verschwunden bist, versprochen.« Ich packe ihn am Arm, ziehe ihn an mir und dem verblüfften Piet vorbei und schubse ihn in Richtung der Tür.
    »Hey!« Er stolpert nach draußen in die Kälte, wirbelt aber gleich darauf wieder herum und blafft: »Meine Sa-«
    Ich werfe ihm seinen voll gestopften Rucksack direkt in die Arme, was ihm augenblicklich die Sprache verschlägt und obendrein einen Schritt zurücktaumeln lässt. Dann ziehe ich die Tür demonstrativ zu, auch wenn Piet und ich daraufhin in einem diffusen Halbdunkeln stehen.
    Draußen tritt der Freak einmal kräftig gegen das Holz und brüllt: »ARSCHLOCH!«, dann ist es ruhig.
    »Das war zu hart«, meint Piet sofort und macht sich gleichzeitig an der Fensterluke der Bude zu schaffen, damit wir auch endlich öffnen können.
    »Findest du?«, frage ich gelangweilt zurück und erhitze die Glühweinbehälter.
    »Natürlich! Allein schon aus Trotz wird er jetzt nicht zurückgehen.«
    Ich blinke ihn etwas irritiert an. »Na und? Wenn das so kalt bleibt, rennt er spätestens nach Hause, wenn er Frostbeulen bekommen hat. Oder die Grippe.«
    Ich sehe nicht ein, warum ich mir um irgendeinen verblödeten Ausreißer Gedanken oder gar Sorgen machen soll, wenn ich nicht einmal weiß, was ich selbst nach der Schule machen werde. Einen Ausbildungsplatz habe ich nicht bekommen und Studieren übersteigt eindeutig meine Verhältnisse. Wenn das jetzt bei diversen Fast-Food-Ketten oder Cafés auch nichts mit einer Einstellung wird, habe ich ein echtes Problem. Vielleicht bin ich ein bisschen zu schnell dabei gewesen, mich beim Bund ausmustern zu lassen. Hätte ich bei der Musterung nicht so viel herumgeschwindelt, weil mir zu der Zeit der Gedanke an Wehrdienst noch ziemlich quer gegangen ist, hätte ich wenigstens erst einmal für neun Monate so was wie einen Job gehabt. Scheiße, ich kann mich ja nicht mal in einer anderen Stadt bewerben, weil ich es mir nicht leisten kann, umzuziehen.
    Mag ja sein, dass der wohlbehütete und wohlhabende Piet irgendeinen unbekannten Helferkomplex hat, der ihn dazu zwingt, dem Ausreißer helfen zu wollen, aber dann bitte ohne mich.
     
    ***
     
    Neidisch sehe ich zum nahenden Schichtwechsel auf Piets eingenommenes Trinkgeld, das er gerade – ohne auch nur einen

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