Fesseln der Nacht - Feehan, C: Fesseln der Nacht - Predatory Game
existierten, war ihr unerträglich.
»Natürlich spielt es eine Rolle.« Jesse warf den Ordner achtlos zur Seite und folgte ihr. Er stieß die Räder seines Stuhls fest an, um mit ihr Schritt zu halten. »Wir beschützen unseresgleichen, Saber. Niemand sonst wird Zugang zu diesem Ordner haben. Es könnte sogar eine Möglichkeit geben, Whitneys Daten auf seinem Computer zu zerstören. «
Sie warf ihm einen glühenden Blick über die Schulter zu. »Er hat Sicherheitskopien, und ich kann dir garantieren, dass auch dein Freund welche angefertigt hat. Sie werden mich studieren wollen, Jesse. Sie werden dahinterkommen wollen, wie ich es tue und ob sich das Experiment wiederholen lässt. Ich habe in der Hölle gelebt, und ich werde nicht dorthin zurückgehen. Nicht für dich und auch für keinen anderen.«
Sie hatte den Weg zur Rückseite des Hauses eingeschlagen
und bewegte sich jetzt schneller voran. Sie würde ihre Sachen nicht mitnehmen. Wenn er sie fortgehen ließ, wenn er sie nicht aufhielt, würde sich sich in Luft auflösen.
»Tu das nicht, Saber.«
»Du hast mir keine andere Wahl gelassen.« Sie rannte los, sprintete durch den Trainingsraum zur Veranda hinter dem Haus.
Er hatte nur ein einzige Möglichkeit, sie aufzuhalten. Sie konnte ihm davonrennen, wenn er im Rollstuhl saß, aber nicht, wenn er seine Beine benutzte. Es hieß jetzt oder nie, denn das war der wichtigste Moment in seinem Leben. Er zwang seinen Körper, sich aufzurichten. Seine Beine waren wacklig, aber er war wild entschlossen. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, und ihr Gesicht wurde weiß. Sie blieb abrupt stehen, als er einen zaghaften Schritt und dann einen zweiten machte. Er knallte der Länge nach auf den Boden und schlug fest auf.
Jesse fluchte, und die Wut färbte die Ränder seines Gesichtsfeldes schwarz ein, als er mit der Faust auf seine unbrauchbaren Beine einschlug. Am anderen Ende des Raumes keuchte Saber und eilte auf ihn zu. Dann verlangsamte sie ihre Schritte, blieb wieder stehen und schüttelte den Kopf.
»Verdammt nochmal, Saber.«
Er sah es ihr im Gesicht an. Sie würde ihn auf dem Boden liegen lassen. Sie würde wirklich fortgehen. Sie wandte sich abrupt von ihm ab und lief wieder auf die Tür zu.
Mit jedem Funken Entschlossenheit, den er in sich hatte, stieß Jesse sich vom Boden ab und zwang seinen unbrauchbaren Beinen seinen Willen auf. Er zeichnete die Karte in seinem Kopf genauso, wie es ihm seine Ärzte
beigebracht hatten, und sandte einen Befehl nach dem anderen zu den Nerven und Muskeln, die seine Bionik-Elemente umhüllten. Es musste funktionieren. Tut, was ich sage, verdammt nochmal. Ich werde sie nicht verlieren. Er fühlte unzählige Nadelstiche zugleich, die sich von oben bis unten durch beide Beine zogen, Funken, die Löcher in Gewebe brannten. Diesmal war es kein zaghafter Schritt. Er rannte hinter ihr her.
Saber packte den Türknopf, um die Tür aufzureißen. Er wurde ihr aus den Händen gerissen, und die Tür schlug zu. Kräfte wogten im Raum. Das Fenster knallte ebenfalls zu. Sie hatte nicht gewusst, dass er das tun konnte – Gegenstände von der Stelle bewegen, ohne sie zu berühren. Was wusste sie überhaupt über ihn? Sie warf einen Blick zurück und sah ihn kommen. Und dann ging es ihr auf: Jesse war auf den Beinen.
Er war groß. Größer, als ihr bewusst gewesen war. Und stark. Sie war sich über seine Kraft im Klaren. Er trainierte täglich und stemmte sein Körpergewicht immer wieder mit den Armen. Sie hätte nie geglaubt, dass sie ihn jemals auf den Füßen sehen würde, doch jetzt kam er schnell auf sie zu. Sein Blick war fest auf sie gerichtet, in seinen Augen brannte eine Wut, die sie nie zuvor gesehen hatte, und auf seinem Gesicht stand rücksichtslose Entschlossenheit.
Der Schock, ihn auf den Beinen zu sehen, verschlug ihr die Sprache. Sie machte den Mund auf, aber kein Ton kam heraus.
Du kannst laufen. Du elender Mistkerl, du hast die ganze Zeit in diesem Rollstuhl gesessen und mich zum Narren gehalten, und dabei konntest du laufen.
Dieser Betrug setzte ihr derart zu, dass sie kaum einen
klaren Gedanken fassen konnte. Blanke Wut schoss durch ihre Adern und breitete sich wie ein Lauffeuer in ihr aus. »Du mieses Dreckschwein. Du bist ein elender, nichtsnutziger Lügner, der andere manipuliert! Du bist keine Spur besser als Whitney.«
Bevor sie noch mehr sagen konnte, wurden Saber die Füße unter dem Körper fortgerissen, und sie wurde erbarmungslos auf die dicke Matte
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