Fesseln der Nacht - Feehan, C: Fesseln der Nacht - Predatory Game
beiden blieb.
»Saber, du weißt, dass ich Nachforschungen über dich anstellen musste.« Er rang darum, die Emotionen – sowohl seine als auch ihre – in Schach zu halten. Sie machte den Eindruck, als könnte sie platzen vor Ärger.
»Ich hoffe, du hast entdeckt, was du wissen wolltest.« Ihre Brust war so eng, dass sie zu implodieren drohte. Ihre Hand zitterte, und sie warf die Fotografien vor seinem Stuhl auf den Boden. »Es ist keiner mehr im Haus.« Sie strengte sich an, mit ruhiger Stimme zu sprechen.
»Aber zwei von deinen Freunden halten draußen die Augen für dich offen, dir kann also nichts passieren, falls ein Feind in der Nähe ist. Ich haue ab. Ich kann hier nicht bleiben.« Sie konnte es tatsächlich nicht – nicht, wenn er wusste, was sie war.
»Tu das nicht, Saber.« Er sprach mit ruhiger Stimme, ohne jede Herausforderung und ohne jede Drohung, und veränderte seine Haltung auf dem Rollstuhl. Es war nur eine kleine Bewegung, als wollte er sich bequemer hinsetzen. »Es musste herauskommen. Du kannst dich nicht davor verstecken.«
Sie reckte ihr Kinn in die Luft. »Ich habe mich nicht davor versteckt.« Sie hielt ihre Hand hoch, mit weit gespreizten Fingern. »Was hätte ich denn deiner Meinung nach sagen sollen, Jesse? Ich töte durch Handauflegen, durch eine leichte Berührung? Dass ich als Kind gezwungen wurde, Tiere zu töten? Dass er mich dazu bringen wollte, Kinder zu töten?«
Er schluckte die Galle, die in seiner Kehle aufstieg. »So weit ist er gegangen?«
»Er hat mich zu Experimenten gezwungen. Wenn ich sie nicht berührt habe, hat er ihnen etwas Grässliches angetan. Ich habe schnell gelernt, vorsichtig zu sein, und vielleicht ging es ja genau darum, aber ich hätte ebenso gut Fehler machen können, wie bei den Hunden. Ich hatte mich nicht immer unter Kontrolle.« Sie schloss einen Moment lang die Augen und sah ihn dann finster an. »Ich wollte nicht, dass jemand etwas davon erfährt. Es war mein Recht, das für mich zu behalten.«
»Er wird niemals aufgeben.«
»Glaubst du etwa, das wüsste ich nicht? Glaubst du, ich wüsste nicht, dass auch jede andere Regierung, die
diese Akte in die Finger bekommt, sofort Jagd auf mich machen würde? Ich bin nicht dumm, Jesse, ich will nur einfach nicht mehr töten.« Nicht für Whitney. Nicht für die Regierung. Sie hätte beinah Jesses frühere Freundin getötet. Was hätte er wohl gesagt, wenn er davon gewusst hätte?
»Du kannst nicht für den Rest deines Lebens weglaufen. «
Ein freudloses kleines Lächeln verzog ihre Mundwinkel. »Oh, doch. Genau das kann ich.«
»Ich möchte, dass du bei mir bleibst.«
Ihre Augen funkelten ihn an, verletzt, verraten, wütend. »Das hast du mir unmöglich gemacht. Dein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung, wer auch immer es war, weiß Bescheid über mich. Du hast die Information weitergegeben. Du hast ihnen meine Fingerabdrücke geschickt, Fragen gestellt und Alarm ausgelöst. Du wusstest, dass ich auf der Flucht war, aber du hast es trotzdem getan.«
Ihr anklagender Tonfall, der nicht zu überhören war, ließ ihn zusammenzucken. »Saber, du weißt verdammt gut, dass alles, was ich tue, streng geheim ist. Es wäre völlig unverantwortlich, wenn ich über eine Frau ohne Vergangenheit, die in meinem Haus lebt, keine Nachforschungen angestellt hätte.«
»Ich habe fast ein Jahr lang hier gelebt, Jesse. Warum jetzt? Warum so plötzlich?«
»Ich hatte es bisher nicht mit Nachdruck verfolgt, weil ich dich für eine Frau hielt, die auf der Flucht vor ihrem Ehemann war, der ihr etwas angetan hatte. Aber sowie du telepathisch mit mir gesprochen hast, blieb mir nichts anderes mehr übrig. Whitney hat überall Leute. Seine
Verbindungen sind so weitreichend, dass er so ziemlich jeden so ziemlich überall, wo er will, einschleusen kann – sogar ins Weiße Haus. Ich konnte nicht das Risiko eingehen, dass du gegen uns arbeitest.«
»Weißt du was? Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.« Sie musste verschwinden, bevor sie anfing zu weinen. Wenn sie erst einmal damit begann, würde sie nie mehr aufhören können. Jesse hatte für sie die Hoffnung verkörpert. Ein Zuhause. Liebe. Eine Chance. Und von einem Moment auf den anderen war ihr all das genommen worden.
Sie wich aus dem Büro zurück, denn es war ihr unerträglich, diese Fotos zu sehen. Ihr war der Gedanke unerträglich, dass er einem anderen Menschen gestattet hatte, sie zu sehen. Und auch die Vorstellung, dass diese Fotos überhaupt
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