Fesseln der Sehnsucht
liebenswürdig unbeschwert und oberflächlich.
Wie aber konnte er Lucy klarmachen, dass sein Wertgefüge, seine Denkweisen sich verändert hatten? Irgendwann hatte er begonnen, die Aufrichtigkeit einer Frau zu schätzen; damals, als er Raine verlor, die Frau, die er zu lieben glaubte. Und nachdem sein Schmerz überwunden war und er reichlich Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, wurde ihm bewusst, dass ihn eine Frau nicht interessierte, die wie ein Kind behandelt werden wollte, genauso wenig wie er von einer Frau angehimmelt werden wollte. Er wollte eine Frau, die ihm eine gleichwertige Gefährtin war.
»Es ist schwer zu erklären«, meinte er bedächtig. »So unterhält man sich in Henrico County miteinander. Der Mann hat seine Rolle zu spielen und die Frau hat ihre Rolle zu spielen. Ich falle nur vorübergehend in alte Gewohnheiten zurück.«
»Du scheinst großes Vergnügen daran zu haben.«
Heath lachte trocken. »Fürchtest du, ich verlange in Zukunft von dir, meinem Ego zu schmeicheln? Nein. Um ehrlich zu sein, es geht mir ziemlich auf die Nerven.«
»Den Eindruck hatte ich allerdings nicht.«
Seine Hände streichelten ihr beruhigend den Rücken »Im letzten Jahr sind mir die Flügel gestutzt worden, wenn ich mich zu sehr aufgeblasen habe. Wenn du mir nicht gelegentlich die Meinung gesagt hättest, wäre ich unerträglich.
So wie es aussieht, musst du wieder von vorne anfangen, wenn die beiden abgereist sind.«
»Ich habe gehört … ein Südstaatler lässt sich nicht verpflanzen. Er gehört in den Süden.«
»Ich gehöre hierher.«
»Fehlen dir die Menschen deiner Art?«
»Menschen meiner Art?«, wiederholte er und lachte leise. »Nein, mir fehlen die Menschen aus dem Süden nicht.
Du bist die Frau, die ich haben will. Damon ist der Geschäftspartner, mit dem ich zusammenarbeiten will. Wir haben gute Freunde und Nachbarn, die sich nicht zu sehr in unsere Angelegenheiten einmischen. Ich fühle mich hier sehr wohl und wüsste nicht, was daran zu verbessern wäre.«
»Aber bei deiner Rückkehr aus Virginia warst du weitaus vitaler als bei deiner Abreise.«
»Erinnere dich bitte daran, dass ich bei meiner Abreise noch geschwächt von der Krankheit war. Warmes Klima und Sonne sind Balsam für jeden Menschen.«
»Es war nicht nur die Sonne. Als du aus der Kutsche gestiegen bist mit diesem strahlenden Lächeln, voller Tatendrang und Kraft, wusste ich, es lag daran, weil du …«
»Ich war überglücklich, zu dir nach Hause zu kommen, du kleiner Dummkopf. Ich konnte es kaum erwarten, dich wieder zu sehen, obwohl mir klar war, dass du wegen Raines Begleitung einen Tobsuchtsanfall bekommst.«
»Ich will sie nicht im Haus haben.«
»Ich schwöre dir, sie bleibt nicht mehr lange. Du musst sie nie wieder sehen. Kannst du bitte endlich begreifen, dass du nichts von ihr zu befürchten hast?«
Lucy nickte zaghaft und wollte sich ihm entziehen. Heath ließ sie nur einen Schritt zurücktreten, ehe er sie an den Ellbogen festhielt. »Wohin willst du?«
»Ich will ins andere Schlafzimmer. Bitte lass mich.«
Ihr Eigensinn reizte ihn. »Schlaf hier.«
»Nein … ich weiß, was passiert, wenn ich hier bleibe, und ich will es nicht. Nicht heute Nacht.«
»Cinda, wir haben seit Monaten nicht miteinander geschlafen.«
»Das ist nicht meine Schuld! Erst warst du krank und dann …«
»Nun reg dich nicht wieder auf. Ich mache dir keinen Vorwurf. Wir haben in den letzten Wochen eine schlimme Zeit durchgemacht und niemand trägt Schuld daran. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Nun aber gibt es keinen Grund mehr, getrennt zu schlafen. Ich will es nicht mehr.« Seine Stimme wurde weich, einschmeichelnd.
»Hast du vergessen, wie es zwischen uns war? Bleib bei mir und ich erinnere dich daran. Hinterher siehst du alles längst nicht mehr so schwarz, das verspreche ich dir.«
»Ich kann nicht«, versetzte sie gequält. »Ich fühle mich … so leer … so ausgelaugt. Ich kann dir heute Nacht nichts geben. Ich will nicht, dass unser erstes Mal nach so langer Zeit eine Enttäuschung wird. Es wäre nicht gut. Mir ist nicht danach.«
»Lucy.«
»Bitte, lass mich nur noch heute Nacht allein.«
Zögernd löste er sich von ihr. »Den Teufel werde ich tun und dich anbetteln.«
»Ich will nicht, dass du bettelst. Ich will nur allein sein.«
Er ging mit ihr zur Tür, legte die Hand an die Klinke und hinderte sie so erneut das Zimmer zu verlassen. Sie hob den Blick in seine türkisfarbenen Augen,
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