Fesseln der Sehnsucht
verschränkte die Arme vor der Brust verlegen wegen der Szene, die sie ihm gemacht hatte, und ein wenig ängstlich, er würde sie nicht gehen lassen.
»Erinnerst du dich an unsere Anfangszeit, als wir nach Boston zogen?« Sein Blick erweichte ihr das Herz. »Eine Weile war alles gut zwischen uns. Sehr gut sogar.«
»Ja … das war es«, stammelte sie im Bann seines eindringlichen Blicks.
»Wir hatten zwar Meinungsverschiedenheiten, doch du hast dich nie zurückgezogen, um mich zu bestrafen für etwas, das ich getan habe.«
»Nein! Natürlich nicht.«
»Ich würde dich jetzt nicht gehen lassen, Cinda, wenn ich das Gefühl hätte, du wolltest mich bestrafen.« Er las die Antwort in ihrem betroffenen Gesicht und nickte bedächtig. Dann hielt er ihr die Tür auf. »Geh. Ich gebe dir noch etwas Aufschub.«
Dankbar floh sie ins angrenzende Zimmer. »Ach, hier bist du«, sagte Lucy beim Betreten der Bibliothek; bei Amys Anblick lächelte sie, das das Mädchen eifrig die Bücherregale studierte und einen Stapel Bücher im Arm hielt.
»Ich wollte mir ein paar Bücher ausleihen«, meinte Amy verlegen.
»Du liest wirklich gern, nicht wahr?«
»Ja, besonders Romane«, antwortete Amy und Lucy freute sich über ihre Begeisterung.
»Lass mal sehen … hmm, einige meiner Lieblingsbücher. Die Bronte-Schwestern, Sturmhöhe und Jane Eyre.«
»Mein Lieblingsbuch.«
»Hast du St. Elmo gelesen? Nein? Ich such es dir heraus. Das musst du lesen. Eine leidenschaftliche Liebesgeschichte von einem armen Mädchen, das zu Reichtum und Erfolg kommt … Wie ich sehe, hast du dir nur die Bücher auf dieser Seite angesehen …«
»Die in den anderen Regalen interessieren mich nicht. Ich glaube, die sind langweilig.«
»Ja«, meinte Lucy und zog die Nase kraus. »Da drüben sind Heath’ Regale.«
»Sie haben so viele Bücher.« Amys Augen wanderten ehrfürchtig über die langen Reihen ledergebundener Bände.
»Als ich jünger war, schimpfte mein Vater oft mit mir, weil ich so viel Geld für Bücher ausgab statt für nützliche Dinge.« Lucy schmunzelte bei der Erinnerung und setzte sich in Heath’ Stuhl. »Gottlob hat Heath nie Einwände, egal, wie viele Bücher ich kaufe.«
»Clay hat sich oft aufgeregt, weil ich zu viel lese. Wir konnten uns keine Bücher leisten, da wir das Geld für … andere Dinge brauchten.«
»Für Arztrechnungen?«, fragte Lucy und dachte an Amys Briefe, in denen sie über Clays Rückenschmerzen und seine chronischen Krankheiten schrieb.
»Und für einen Arbeiter, ohne den wir es nicht geschafft hätten.« Amy legte die Bücher auf den Schreibtisch. »Auf der Plantage waren nur Clay und Raine, Mama und ich. Wir waren nicht daran gewöhnt, die schwere Arbeit zu machen. Also holten wir einen Burschen aus der Nachbarschaft, der bezahlt wurde. Anfangs war er ziemlich faul, aber nachdem Clay ihm ordentlich die Meinung sagte, wurde es besser mit ihm.«
»Tut mir Leid.« Spontan tätschelte Lucy die Hand des jungen Mädchens.
»Was denn?«
»Dass du es schwer im Leben hattest … und dass du keine Bücher kaufen konntest.«
»Damals habe ich es nicht als schlimm empfunden. Erst im Nachhinein wurde mir klar, was wir entbehren mussten.
Natürlich wäre alles leichter gewesen, wenn Heath uns geholfen hätte … aber er war ja nicht da.«
Lucy fühlte sich verpflichtet, Heath zu verteidigen. »Es ist eigentlich nicht seine Art, jemanden im Stich zu lassen, der Hilfe braucht«, sagte sie. »Vielleicht hat er nicht gewusst …«
»Es war nicht seine Schuld. Er wollte uns helfen. Nach dem Krieg kam Heath auf die Plantage zurück, durfte aber nicht bleiben.« Amy sah sie erstaunt an. »Hat er Ihnen das nicht erzählt?«
»Nicht wirklich«, gab Lucy zu und überlegte, wie sie Amy dazu bewegen konnte, ihr mehr zu erzählen. »Ich weiß nur, dass es zwischen Heath, Clay und Raine Schwierigkeiten gab.«
»Und meiner Mutter. Sie konnte ihn nie leiden. Sie wissen vermutlich, warum.«
»Weil er … der Sohn einer anderen Frau war?«. fragte Lucy zögernd.
»Genau. Clay und ich sind als Prices geboren. Mama sagte immer, nur wir sind die rechtmäßigen Kinder und …«
Amy senkte die Stimme und warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter. »Heath war nur ein Fehltritt. Das hat sie ihm oft ins Gesicht gesagt.«
»Und wie hat Heath darauf reagiert?«
»Er grinste nur. Und dieses Grinsen hat sie rasend gemacht … Mama ertrug seine Nähe nicht. Es dauerte Tage, bis sie sich einigermaßen beruhigt
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