Fesseln der Sehnsucht
Geldes und der Plantage geheiratet. Doch das Konföderiertengeld sei wertlos geworden und die Plantage stehe vor dem Ruin. Er lachte sie einfach aus. Raine griff nach einer Reitpeitsche, die auf der Balustrade lag, und schlug ihm ins Gesicht. Daher stammt die Narbe an seiner Schläfe …«
»Gütiger Himmel«, flüsterte Lucy und hielt sich erschrocken die Hand an den Mund. All ihre Eifersucht versank unter einer Flut von Mitleid. Wie furchtbar, von dem Menschen so grausam verletzt zu werden, den man liebte – noch dazu für Heath mit seinem eigensinnigen Stolz. Eine solche Demütigung konnte niemand verwinden. Raine hatte ihn gezeichnet. Lucy bezweifelte, dass Heath von dieser Verletzung nur eine äußere Narbe davongetragen hatte. Hatte auch seine Seele eine Wunde erlitten, die nie heilen würde? Lucy fürchtete, die Antwort nie zu erfahren. »Amy schien sehr gelöst und zufrieden nach dem Gespräch mit dir«, meinte Lucy und hob den Kopf von dem Artikel, den sie zur Korrektur las, in Heath’ schwungvoller Handschrift geschrieben. Sie saßen gemeinsam an seinem Schreibtisch. Das leise Ticken der Kaminuhr erinnerte daran, dass die Mitternachtsstunde nicht mehr weit war. Das Feuer im Kamin war zur Glut heruntergebrannt und es wurde kühl im Zimmer. In Lucy aber hatte sich eine wohltuende Wärme ausgebreitet und sie freute sich, wieder gemeinsam mit Heath beim hellen Schein der Lampe zu arbeiten.
»Es wird ihr in Winthrop gefallen. Es ist ein angesehenes Pensionat für junge Mädchen, sowohl vom Lehrangebot als auch in jeder anderen Hinsicht. Man hat mir versichert, dass jemand wie Amy sich dort wohlfühlen wird.«
»Mit ›jemand wie Amy‹ meinst du vermutlich eine Südstaatlerin, die es in den Norden verschlagen hat.«
Er schmunzelte und konnte nicht widerstehen, sie scherzhaft am Ohrläppchen zu zupfen. ›Ja, genau das meine ich.«
»Denkst du, sie hat Zweifel, ob es nicht besser für sie gewesen wäre, mit ihrer Mutter nach England zu gehen?«
»Nein, nicht die geringsten.«
Lucy legte das Blatt weg und glättete es geistesabwesend mit den Fingern. »Wenn du sie ins Internat bringst, versicher ihr bitte, dass sie jederzeit bei uns willkommen ist, wenn es ihr dort nicht gefallen sollte.«
»Das werde ich. Und ich gebe dir noch ein Versprechen. Wenn du mit ihr morgen einkaufen gehst und sie mit allem ausstattest, was ein junges Mädchen braucht, liefere ich sie übermorgen im Pensionat ab. Wenn Ende dieser Woche unsere Gäste fort sind … mein Gott, ich scheue mich beinahe, es auszusprechen … dann wird alles wieder so sein wie früher.«
Lucy klopfte dreimal beschwörend auf Holz.
»Nun aber Schluss für heute.« Heath stand auf und zog Lucy mit sich. »Die Nacht ist noch jung …«
»Du irrst«, entgegnete sie mit einem nervösen Lachen und versuchte, ihm die Hand zu entziehen. »Die Nacht ist weit fortgeschritten und ich schlafe bereits im Stehen in …«
»Ich weiß ein Mittel, wie du wieder wach wirst.« Er neigte sich ihr zu, sie aber wandte sich brüsk ab.
»Heath, nicht jetzt.«. Sie konnte nicht mit ihm zusammen sein, nicht solange Raine unter ihrem Dach wohnte. Erst wenn sie Gewissheit hatte, dass Raine weit, weit fort war, bestand keine Gefahr, dass sich bei ihr – oder bei Heath – Gedanken an Raine einschleichen und ihren Liebesakt stören würden.
Heath versteifte sich, seine gute Laune war verflogen, seine Züge verfinsterten sich. »Wie lange soll das noch so weitergehen?«, fragte er düster. »Bis ich wahnsinnig bin?«
»Mir ist nicht danach …«
»Ich weiß, wonach dir nicht ist … aber mir ist verdammt danach und das ist dein Problem ebenso wie das meine.«
Erbost über seine hochfahrende Art, verschränkte sie schützend die Arme vor sich und starrte ihn an. Er war in letzter Zeit ziemlich launisch. Wieso fiel ihm die Enthaltsamkeit so schwer? »Ich kann nicht erzwingen, was ich nicht empfinde, Heath.«
»Dann versuche doch vorzutäuschen, dass du etwas empfindest«, schnarrte er. »Oder hast du das bisher nicht getan?«
Lucy erschrak über seine Grausamkeit, sah, aber, dass Heath bereute, was er gesagt hatte, da es ihm deutlich im Gesicht geschrieben stand. Doch bevor er sich entschuldigen konnte, versetzte sie kalt: »Wenn du nicht warten kannst, dann lass es uns in Gottes Namen hinter uns bringen. Wie wär’s gleich hier? Tu dir keinen Zwang an. Aber mach schnell.«
Sie starrten einander wütend in die Augen.
»Ich frage dich nicht noch einmal«,
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