Fesseln der Sehnsucht
hatte, als Daddy ihn nach Hause brachte.«
»Wie war das Verhältnis von Clay und dir zu ihm?«
»Ich habe Heath immer gern gehabt. Clay war zurückhaltender, aber die beiden haben nie miteinander gestritten.
Bis Raine auftauchte.«
»Wie habt ihr sie kennen gelernt?«, fragte Lucy und bemühte sich, nicht allzu neugierig zu klingen. »War sie aus der Nachbarschaft?«
»Eigentlich nicht. Ihre Familie lebte im gleichen County. Sie war eine Stanton, die zweitälteste von vier Schwestern. Raine war die hübscheste, das sagten jedenfalls alle. Sie flirtete gern und scherzte mit den jungen Burschen, ließ sich aber mit keinem ein.«
Lucy beugte sich vor und hörte aufmerksam zu. Ermutigt durch ihr Interesse begann Amy freimütig zu sprechen.
»Und dann starb Heath Mutter und er kam als Siebzehnjähriger zu uns. Mama wäre lieber selbst gestorben, als mit ihm unter einem Dach zu leben, doch Daddy war unnachgiebig. Er hatte Heath sehr gern, also musste Mama sich fügen. Sie ließ sich von ihren Freundinnen trösten und bekam ihn auch nicht oft zu Gesicht. Er war ständig mit seinen Freunden unterwegs.«
»Hat er ein lockeres Leben geführt?«
»Ich denke schon«, gestand Amy. »Heath trieb es ziemlich wild, geriet immer in Schwierigkeiten. Aber er war auch allseits beliebt. Doch die Väter hüteten ihre Töchter vor ihm … Sie können sich denken, warum. Raine sagt, Heath wäre der begehrteste junge Mann im ganzen County gewesen, wenn er die richtige Abstammung gehabt hätte. Er konnte besser reiten, besser schießen und besser fluchen als jeder andere. Er war klug und charmant und sehr humorvoll. Alle Mädchen machten ihm schöne Augen. Raine sagt, er sei der attraktivste Mann weit und breit gewesen. Aber die Mädchen scheuten sich, mit ihm auszugehen oder sich mit ihm sehen zu lassen, denn das hätte ihrem Ruf geschadet.«
Lucy schwieg. Heath war also auch in Virginia ein Außenseiter gewesen. Deshalb hatte er die Herausforderung angenommen und sich im Norden niedergelassen. Kein Wunder, dass es ihn nicht wieder in den Süden zog. Er hatte nirgendwo Wurzeln.
»Wie kamen Heath und Raine …«, begann Lucy, ohne ihre Frage zu beenden. Heath und Raine in einem Atemzug zu nennen, fiel ihr zu schwer. Andererseits brannte sie darauf zu erfahren, was zwischen den beiden wirklich vorgefallen war. Amy schien zu ahnen, was sie hören wollte.
»Als Heath sie kennen lernte, war er völlig von ihr hingerissen. Die Stantons sahen es nicht gern, dass er ihr den Hof machte, hatten aber vier heiratsfähige Töchter und er hatte eine hübsche Erbschaft in Aussicht. Raine machte einen Ausflug im Einspänner mit ihm, weil eine ihrer Schwestern eine Wette mit ihr abgeschlossen hatte. Sie spricht nicht gern darüber, sagte nur, zu Beginn des Ausflugs wagte sie kaum, ihm guten Tag zu sagen, und am Ende hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht. Dann lernte sie Clay kennen. Clay hatte viel Ähnlichkeit mit Heath und war noch dazu ein Price, während Heath nur …«
»Der uneheliche Sohn«, ergänzte Lucy freimütig. »Clay war also die bessere Wahl.«
»Sie liebte Clay«, entgegnete Amy heftig. »Er sah gut aus, war charmant und …«
»Ja sicher.« Lucy versuchte hastig, ihren Fehler wieder gutzumachen. »Tut mir Leid. Ich habe es nicht böse gemeint. Sprich weiter … du wolltest erzählen, wie es mit Raine und Clay weiterging.«
»Sie haben geheiratet. Heath versuchte vergeblich, die Hochzeit zu verhindern, und geriet mit Clay in heftigen Streit. Seitdem waren sie einander fremd und es wurde ganz schlimm mit Heath. Niemand wollte mehr etwas mit ihm zu tun haben. Er trank viel, geriet in Prügeleien, führte sich ziemlich schlimm auf, bis Daddy ihn schließlich ins Ausland schickte in der Hoffnung, er würde Abstand finden und zur Vernunft kommen. Doch dann brach der Krieg aus.«
»Und nach dem Krieg? Wieso durfte er nicht wieder auf der Plantage leben?«
»Daran trug hauptsächlich Clay Schuld. Clay kam mit einer Rückenverletzung aus dem Krieg zurück und kränkelte seitdem. Er fürchtete, Heath würde ihm seine Stellung auf der Plantage streitig machen und ihm Raine wegnehmen.
Meine Mutter wollte Heath auch nicht haben … und Raine … Eines Tages kam es auf der Veranda zu einem bösen Streit zwischen ihr und Heath, in dem sie ihn wüst beschimpfte. Und er …«
»Was?«, half Lucy ihr auf die Sprünge, entsetzt und fasziniert zugleich. Amy errötete.
»Er lachte sie aus und sagte, sie habe Clay nur wegen des
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