Fesseln der Sehnsucht
strömten, war die Frühlingsluft von anregenden Düften unzähliger Sonntagsbraten durchzogen, die in den Küchenherden schmorten und rechtzeitig zum sonntäglichen Festmahl saftig und knusprig waren.
»Gottlob ist es endlich vorbei«, seufzte Heath erleichtert. Die Predigt hatte heute besonders lange gedauert und der Pfarrer hatte unheilvoll mit Feuerschlund und Schwefelgestank der ewigen Verdammnis gedroht. Heath jedenfalls war das Donnerwetter von der Kanzel herunter endlos lang erschienen. Dabei hatte er sich wenig Mühe gegeben, dem Wortlaut zu folgen, da seine Gedanken in Lucys Nähe, ihrer Wärme, ihrem süßen Duft mit völlig anderen Dingen beschäftigt waren und er die Kirche sündiger verließ, als er sie betreten hatte.
Schockiert warf Lucy heimliche Blicke in die Runde, um sich zu vergewissern, dass niemand seinen Stoßseufzer gehört hatte, während das Paar mit anderen Kirchenbesuchern das Portal mit den zwei weißen Säulen durchschritt.
»Wirst du wohl still sein! Wenn man dich hört!«
»Ich lasse mir nicht gern eine Strafpredigt halten, als sei ich ein Schulbub, der etwas ausgefressen hat.«
»Wir beide können getrost eine Strafpredigt über uns ergehen lassen«, zischte Lucy streng. »Wir waren seit Monaten nicht in der Kirche.«
»Und ich sehe keinen triftigen Grund, wieso wir überhaupt …«
»Still! Ich will es nicht hören«, beschwor sie ihn und setzte ein gewinnendes Lächeln auf, als sie den Treadwells und den Nicholsons begegneten und mit ihnen Freundlichkeiten austauschten. »Guten Morgen. Wir haben sie schon vermisst. Ein herrlicher Sonntag, nicht wahr? Eine wundervolle Predigt.«
Als sie ihren Weg zur Kutsche fortsetzten, ließ Heath die liebenswürdige Maske fallen.
»Ich begreife nicht, was es die Leute angeht, wenn wir länger nicht in der Kirche waren.«
»Das ließe sich ändern, wenn wir den Sonntagsgottesdienst regelmäßig besuchten.«
»Auch das noch!«
Er klang so unverblümt entsetzt, dass Lucy halb lachend, halb verzweifelt seufzte und seinen Arm losließ.
»Du scheinst mir ein richtiger Heide zu sein.«
Er blickte lächelnd auf sie herab und glich mit seinem goldgelockten Haar und den strahlend blauen Augen eher einem Erzengel. »Schau mich nicht so an«, tadelte Lucy ihn, obwohl ihr zum Lachen zumute war. »Ich mache mir jetzt schon Sorgen, welch schlechtes Beispiel du unseren Kindern geben wirst.«
»Verzeih, wenn ich mir nicht viel Gedanken um unsere Kinder mache.« Seine Mundwinkel verzogen sich spöttisch.
»Ich glaube nicht, dass wir uns in nächster Zeit damit befassen müssten, es sei denn, du glaubst an das Wunder der unbefleckten Empfängnis.«
»Ich fasse es nicht wie du so lästerlich reden kannst obwohl wir grade aus der Kirche kommen«, entgegnete sie mit frostiger Würde und erntete sein schallendes Gelächter.
»Machst du dir wirklich Sorgen um mein Seelenheil?«
»Jemand muss es ja tun. Nun hör auf zu lachen – ich meine es ernst!«
»Deine Sonntagsfrömmigkeit entzückt mich immer wieder«, stellte er schmunzelnd fest. »Also gut. Wenn du jeden Sonntag zur Kirche gehen willst, tun wir das. Aber ich bezweifle, ob es bei mir etwas fruchtet.«
Sein Zugeständnis besänftigte sie. »Ich erwarte ja keine Wunder. Schaden kann es dir jedenfalls nicht.«
Heath half ihr in die Kutsche und betrachtete ihre zierliche Gestalt mit vergnügt blitzenden Augen. Er hatte nicht beabsichtigt, ihr Zugeständnisse zu machen, doch dann hatte sie das Wort Kinder erwähnt und sein Herzschlag war ins Stolpern geraten. Der Gedanke, Söhne und Töchter mit Lucy zu haben, erfüllte ihn mit Freude und Glück, auch wenn es bedeutete, die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Gattin zu verlieren. Er hätte sie gern ganz für sich allein, daran gab es keinen Zweifel. Er hätte sein ganzes Leben allein mit ihr verbringen können und wäre völlig zufrieden und glücklich gewesen. Aber der Gedanke, mit ihr Kinder zu haben, war der Inbegriff von erfülltem Glück!
»Montag«, stöhnte Damon und es klang wie ein Fluch, »sollte vom Kalender gestrichen werden.« Er musterte gemeinsam mit Bartlett, einem der jüngeren Reporter der Zeitung, den Redaktionsraum, in dem ein paar Reporter lustlos an ihren Schreibtischen saßen und schrieben. Andere standen an den Bücherregalen und blätterten in Nachschlagewerken, während sie darauf warteten, dass die Droschke zurückkam, damit sie sich auf die Suche nach neuen Nachrichten begeben konnten.
Bartlett seufzte unter der Last
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