Fesseln der Sehnsucht
der Langeweile. »Mir käme jetzt auch eine schlechte Nachricht gelegen.«
»In unserem Geschäft ist eine schlechte Nachricht eine gute Nachricht. Kommt an irgendeinem Montag Material für eine gute Geschichte herein? Nein, natürlich nicht. Ist es denn zu viel verlangt, um eine kleine Naturkatastrophe zu bitten? Ein netter Wirbelsturm? In einem Staat wie Massachusetts müsste es doch wenigstens am Montag einen politischen Skandal geben.« Er wandte sich an Bartlett. »Was ist mit Ihrem persönlichen Interview? Hat Mrs. Lowell sich bereit erklärt, mit Ihnen über die Wohltätigkeitsauktion zu sprechen?«
»Nein, Sir.«
»Das wusste ich«, meinte Damon mit düsterer Genugtuung. »Egal, was Heath auch sagt ich wusste, dass sie sich weigert. Die Lowells hassen öffentliches Aufsehen jeder Art. Meine Mutter pflegte immer zu sagen, eine Dame steht nur dreimal in ihrem Leben in der Zeitung. Bei ihrer Geburt bei ihrer Hochzeit und bei ihrer Beerdigung. Und wenn man darüber nachdenkt, hat sie völlig Recht.«
Bartlett wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Vermutlich ja, Sir.«
»Mr. Redmond!« Joseph Davis, der Assistent des Lokalchefs, rannte gegen einen Schreibtisch, als er den Raum durchquerte und auf Damon zustürmte. »Mr. Redmond …«
»Ja? Warum so aufgeregt? Sagen Sie bloß, Sie haben etwas, worüber wir schreiben können?«
»Der Portier teilte mir mit, jemand möchte Mr. Rayne sprechen.«
»Sagen Sie ihm, Mr. Rayne ist außer Haus. Der Besucher soll seine Karte hinterlegen.«
»Es ist kein Besucher«, sagte Davis atemlos. »Es ist Mrs. Rayne.«
Damons schwarze Augen blitzten auf. Ohne ein weiteres Wort ließ er Bartlett und Davis stehen und ging mit langen Schritten zur Tür. Der Portier, mit Goldknöpfen an der Uniform, würdevoll und steifnackig, trat beiseite und gab den Blick auf Lucy frei, dann schloss er die Tür und ließ die beiden allein im Flur. Lucy wirkte wie ein kleiner exotischer Vogel in ihrem smaragdgrünen Kleid und einem winzigen, keck in die Stirn geschobenen Samthütchen, wie sie verloren im kahlen, schmucklosen Korridor stand. Damon wusste auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmte. Sie lächelte ihm zwar entgegen, doch ihre Gesichtszüge waren angespannt und ihr Lächeln gekünstelt.
»Mr. Redmond. Verzeihen Sie, wenn ich Sie störe.«
Er nahm ihre schmale Hand und hauchte einen flüchtigen Kuss darauf. »Ich könnte mir keine reizendere Unterbrechung denken. Wenn ich mich nicht täusche, waren Sie noch nie bei uns, stimmt’s? Oder wollen Sie von nun an Ihre Artikel persönlich abliefern?«
»Nun, eigentlich nicht. Ich …« Sie sah zu ihm auf. »Sie sollten gar nicht wissen, dass ich sie schreibe. Hat Heath ihnen das Geheimnis verraten?«
»Natürlich nicht. Aber ich wusste es sofort. Ich konnte beinahe Ihre Stimme beim Lesen hören. Sie haben ein großes Talent zu schreiben. Aber ehe ich Sie mit einer Flut von Komplimenten überschütte, sagen Sie mir, was ich für Sie tun kann.«
»Ich würde gern meinen Mann sprechen.«
»Bedauerlicherweise ist er momentan nicht im Büro.«
»Wo ist er?«
»Er macht Besorgungen und sieht sich nach Neuigkeiten um …« Damons Stimme verlor sich. Lucy senkte den Kopf und krallte die Finger in ihr Retikül. »Beunruhigt Sie etwas?«, fragte er leise.
Sie hob den Blick und lächelte verlegen. »Nein, eigentlich nicht. Ich rege mich vermutlich wegen nichts auf. Ich bin sicher, es ist nichts, aber … aber heute in meinem Club ist mir ein Gerücht zu Ohren gekommen und deshalb habe ich eine Frage an meinen Mann. Wann erwarten Sie ihn zurück? Ich weiß, es ist alles vermutlich völlig albern, aber ich hatte das Bedürfnis, ihn sofort aufzusuchen. Für mich ist es sehr wichtig …«
»Welches Gerücht?«, unterbrach Damon ihren nervösen, etwas wirren Wortschwall geduldig. Lucy zögerte, öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu. »Mrs. Rayne … wenn es Sie so sehr beunruhigt, dass Sie sich hierher bemüht haben, dann sollten wir uns damit befassen. Vielleicht kann ich den Sachverhalt klären.«
»Sie werden mich für albern halten …«
»Nichts, was Sie stört, kann albern sein. Bitte sprechen Sie weiter.«
»Es kam so überraschend … ich wusste nicht, was ich sagen sollte, als jemand mir berichtete … ich glaube, ich habe mich zum Narren gemacht, weil ich irgendetwas gemurmelt habe, ich weiß nicht einmal mehr, was … dann bin ich einfach aufgesprungen und gegangen, mitten in der
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