Fesseln der Sehnsucht
beiden großen Zeitungen nehmen ihm Werbekunden und Abonnenten weg und versuchen mit allen möglichen Tricks …«
»Heath«, unterbrach sie ihn ungeduldig. »Davon will ich im Augenblick nichts hören. Ich will wissen, was du mir zu sagen hast.«
»Einverstanden.« Das Funkeln in seinen Augen verstärkte sich. »Die Zeitung wurde zum Verkauf angeboten. Nach vielen Verhandlungen mit dem Herausgeber und eingehendem Studium der Bilanzen habe ich mich entschlossen, daraus ein konkurrenzfähiges Unternehmen zu machen. Ab heute sind wir die neuen Eigentümer des Examiner.«
Lucy starrte ihn verständnislos an. Erst allmählich dämmerte ihr die Erkenntnis. »Den ganzen Verlag? Die ganze Zeitung? Eine Bostoner Zeitung, Heath …«
»Eigentlich nicht den ganzen Verlag … nur etwas mehr als die Hälfte. Der Rest gehört Damon Redmond. Er kommt aus einer Bostoner Familie, die …«
»Redmond? Verwandt mit den Lowells und den Salton-Stalls?«
»Ja, genau diese Familie. Der dritte Sohn von John Redmond III. Ich habe Damon im Ausland kennengelernt, kurz vor Ausbruch des Krieges.«
»Aber … habt ihr denn genügend Erfahrung, um eine Zeitung herauszubringen?«, fragte Lucy, zu betroffen, um taktvoll zu sein.
Heath lachte trocken. »In diesem Fall spielt Erfahrung keine große Rolle. Je erfahrener ein Unternehmer, desto mehr neigt er dazu, die Geschäfte wie bisher zu führen … in der alten Tradition … Das aber ist genau die Geschäftspolitik, die ich nicht verfolgen werde. Man kann heute keine Zeitung wie vor zehn Jahren machen. Es gibt Zeitungen, die am Pulsschlag der Zeit sind – die New York Tribune etwa –, und andere, die den Anschluss verlieren und auf der Strecke bleiben. Dies ist der günstigste Zeitpunkt, um daraus Nutzen zu ziehen. Ich strebe eine neue Form des Journalismus an, ich will einen neuen Zeitungsstil ins Leben rufen …«
»Das klingt wie ein Glücksspiel. Und wenn du keinen Erfolg damit hast? Wenn du dein ganzes Geld verlierst?«
»Dann müssen wir wohl oder übel zu deinem Vater in die Wohnung über dem Laden ziehen.«
»Ich finde das gar nicht witzig!«
»Keine Sorge, Cinda. Ich lasse dich nicht verhungern.«
»Was für ein Mensch ist dieser Redmond? Kannst du ihm als Geschäftspartner vertrauen?«
»Daran habe ich keinen Zweifel. Er ist intelligent und ehrgeizig und voller Einsatzfreude. Ich fürchte sogar, ich muss ihn in mancher Hinsicht ein wenig bremsen und ihn daran erinnern, dass wir zu zweit an dem Karren ziehen.
Er trifft gern schnelle Entscheidungen.«
»Aber es dauert doch sicher lange, ehe so ein Unternehmen Gewinn abwirft.«
»Das hängt von mehreren Faktoren ab … Wenn du dich wirklich dafür interessierst, bringe ich dir die geschätzten Gewinnzahlen mit.«
»Nein, danke.« Lucy hatte noch nie Interesse an Zahlen und Rechenspielen gezeigt, wunderte sich aber über Heath’ Bereitschaft, mit ihr über derlei Dinge zu sprechen. Normalerweise hielten Männer es für unnötig, mit ihren Ehefrauen – oder anderen Frauen – über geschäftliche Angelegenheiten zu sprechen. Genauso wenig wie Frauen mit ihren Männern über ihre Aktivitäten redeten. »Ich möchte nur wissen, ob wir genügend Geld zum Leben haben.«
»Das werden wir. Jedenfalls genug, um dir so viele Hüte zu kaufen, wie du willst.«
»Eine so große Zeitung zu leiten … ist mit viel Arbeit verbunden«, fuhr Lucy stirnrunzelnd fort.
»Ja, ich werde häufig bis spät in den Abend hinein arbeiten«, gestand er.
»Und das ständige Hin- und Herfahren. Wie willst du das schaffen?«
Es entstand eine lange Pause, ehe Heath von dem Glas in seiner Hand aufblickte und ihr in die Augen sah. »Das wäre nicht möglich«, sagte er leise. »Ich kann nicht in Concord wohnen und eine Zeitung in Boston herausgeben.«
Seine Eröffnung traf Lucy wie ein Schlag in die Magengrube. Wenn er die Geschäfte nicht von Concord aus führen konnte, bedeutete das einen Umzug nach Boston.
»Wenn du eine Zeitung haben willst«, versetzte sie hastig, »kannst du doch eine Lokalzeitung kaufen oder eine Zeitung gründen. Wieso muss es eine Zeitung in Boston sein …?«
»In einem Lokalblatt kann ich meine Pläne nicht verwirklichen. Ich will nicht darüber berichten, wie viele Eier die Hühner von Farmer Brooks am Montag gelegt haben oder dass Billy Martinson von einer Biene gestochen wurde.«
»Aber … aber …«
»Was aber?«, hakte Heath nach, der sich vorgebeugt und die Ellbogen auf die Knie gelegt
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