Fesseln der Sehnsucht
dafür … mein Wort darauf.«
»Das Wort eines Gentlemans?«
»Selbstverständlich.«
»Ich würde etwas Zuverlässigeres vorziehen«, antwortete sie und lächelte kokett.
»Wart’s nur ab«, murmelte er und löste sich zögernd von ihr. Damon Redmond entsprach mehr oder weniger Lucys Erwartungen, stellte sie fest, als der Kellner das Paar zu einem abgeschirmten Tisch im Restaurant führte, an dem Mr. Redmond sie bereits erwartete. Parker House war der Treffpunkt der Reichen und Mächtigen der Stadt und eines der wenigen Lokale in Massachusetts, das rund um die Uhr geöffnet hatte und seinen Gästen die Möglichkeit bot, zu jeder Stunde des Tages vorzüglich zu speisen.
Damon hob Lucys Hand artig an die Lippen und murmelte eine höfliche Begrüßung. Seine Erziehung in Verbindung mit seinem arroganten Auftreten hatte sich in mehreren Redmond-Generationen zur Perfektion entfaltet und hätte sich auch gezeigt wäre er in Sack und Asche gegangen. Damon freilich war makellos gekleidet im feinen, maßgeschneiderten Tuch, mit schmaler seidener Halsbinde und blank polierten Schuhen. Er strahlte einen gewissen Glanz aus, gegen den Heath’ Charme allerdings durchaus Bestand hatte. Er war hoch gewachsen und gut aussehend, sein kantig geschnittenes Gesicht von kohlschwarzem Haar umrahmt. Wenn er lächelte, sah er noch besser aus. Doch nicht ein einziges Mal während des Abendessens erreichte sein Lächeln seine wachsamen, schwarzen Augen. Er hatte zwar einen geschliffenen und schnellen Humor, doch irgendwie schien er ständig abzuwägen, zu prüfen, zu beurteilen. Eine für Lucys Empfinden unangenehme Eigenschaft für einen Tischherrn beim Abendessen, wohl aber keine schlechte Eigenschaft für einen Zeitungsredakteur.
Nachdem das Menü bestellt war und man einige Belanglosigkeiten über die Schönheiten Bostons und das kulturelle Angebot der Stadt ausgetauscht hatte, wandte Damon sich an Lucy. »Ich hoffe, der Umzug nach Boston hat Sie nicht zu sehr angestrengt, Mrs. Rayne.«
»Keineswegs. Es hat mir nicht die geringste Mühe gemacht.« Mit einem scherzhaften Lächeln zu Heath fügte sie hinzu: »Ich hoffe nur, Sie beide bekommen den Examiner ebenso rasch in den Griff, wie ich das Haus zu renovieren beabsichtige.«
»Das wird leider einige Zeit in Anspruch nehmen«, meinte Damon, dann nahm er einen Schluck Wein und warf gelangweilte Blicke durch das Lokal. Er hatte also nicht die Absicht, über geschäftliche Dinge in ihrer Gegenwart zu sprechen. Lucy dachte an Heath’ Bemerkung auf dem Weg zu Parker, wonach Damon dazu neigte, Frauen als hohlköpfige Wesen zu sehen. Sie wandte sich an Heath, der ihr mit einem unmerklichen Schulterzucken und einem viel sagenden Blick zu verstehen gab: Ich habe dich gewarnt.
»War es notwendig, viele Mitarbeiter zu entlassen?«, fragte sie, nun erst recht entschlossen, über den Examiner zu sprechen.
Heath lächelte, ehe er antwortete. Sie wollte Damon also herausfordern. »Ja, einigen redaktionellen Mittarbeitern und ein paar Reportern wurde gekündigt. Wir brauchen neue Köpfe, die sich nicht scheuen, Risiken einzugehen.«
»Wo werdet ihr die finden?«
Damon fühlte sich von Lucys Fragen sichtlich irritiert. »Das wird sich zeigen«, meinte er ausweichend.
Heath amüsierte sich köstlich. »Damon, vor meiner Frau brauchst du nichts zu verbergen.« Sein Blick glitt zu Lucys erwartungsvollem Gesicht. »Reporter werden oft aus den Hinterstübchen von Druckereien geholt, Cinda. In unserem Fall sollten wir uns anderswo umsehen.« Er senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Raunen und zwinkerte ihr zu. »Wenn wir Glück haben, können wir dem Journal und dem Herald ein paar gute Leute abspenstig machen.«
»Tatsächlich? Ist das nicht unmoralisch?«
»Sehr sogar. Aber billiger und weniger zeitaufwendig, als selber Leute auszubilden. Es gibt ja keine offiziellen Schulen für Reporter … nur die Erfahrung. Je mehr Leute mit Berufserfahrung wir bekommen können, desto größer unser Vorsprung.«
»Was bietet ihr den Leuten, damit sie von der Zeitung weggehen, bei der sie bisher arbeiten? Mehr Geld?«
»Einmal das und zudem vernünftige Arbeitsbedingungen. Und ein paar Herausforderungen.«
»Welche Herausforderungen?«
Damon mischte sich ein. »Das ist eine lange Liste, Mrs. Rayne«, meinte er liebenswürdig und glatt. »Wir wollen Sie damit nicht langweilen.«
»Im Gegenteil, Mr. Redmond.« Lucy blickte ihm direkt in die dunklen Augen. »Ich interessiere mich für
Weitere Kostenlose Bücher