Fesseln der Sehnsucht
alles, was mit dem Beruf meines Mannes zu tun hat.«
»Ein Interesse«, setzte Heath trocken hinzu, »das ich ihr nicht ausgeredet habe.«
»Offensichtlich«, murmelte Damon und zog sich in kühles Schweigen zurück.
»Wir waren bei den Reportern stehen geblieben«, nahm Lucy den Faden wieder auf und Heath freute sich, dass sie sich nicht einschüchtern ließ.
»Als Erstes haben wir uns vorgenommen, den lächerlich umständlichen Prosastil auszumerzen, der sich seit jeher so hoher Beliebtheit erfreut. Ich will kein elitäres, hochgestochenes Blatt … ich will eine Zeitung, die jeder durchschnittlich gebildete Mensch versteht. Außerdem sind mir die Reporter ganz allgemein nicht skeptisch genug – sie notieren alles, was sie hören und sehen, ohne Fragen zu stellen, nachzuhaken, tiefer zu bohren. Viele Leser können das, was sie lesen, nicht selbst deuten, und es ist Aufgabe der Zeitung, den Leuten zu helfen, das zu verstehen, was sie lesen.«
»Aber woher willst du wissen, dass deine Auffassung die richtige ist?«
»Nun ja, das wird immer eine Frage der persönlichen Auffassung sein. Theoretisch ist es unsere Aufgabe, unvoreingenommen und neutral zu sein – doch welche Zeitung ist das schon? Der Examiner wird auch in diesem Punkt neue Maßstäbe setzen. Und wir werden entweder einen Riesenerfolg haben oder in wenigen Wochen den Bankrott erklären.«
Lucy lachte. »Welch optimistischer Blick in die Zukunft. Bereits am ersten Abend in Boston werde ich vor einem möglichen Bankrott gewarnt.« Sie sah Damon an. »Schließen Sie sich dieser Geschäftspolitik an, Mr. Redmond?«
Er nickte knapp. »Insoweit, als ich es für Gewinn bringend erachte, eine Zeitung herauszubringen, die sich an die breite Masse richtet.«
»Dafür wird Ihnen die breite Masse mit Sicherheit dankbar sein«, antwortete sie, einen Hauch zu liebenswürdig und schwieg, als sie Heath’ warnenden Knuff unter dem Tisch spürte.
Kapitel 8
»Dieser Damon Redmond ist ein grässlicher Snob!« bemerkte Lucy verächtlich. Sie schlüpfte ins Bett und verschränkte die Arme vor der Brust. »Mich wundert, dass ich nicht um Erlaubnis fragen musste, wenn ich etwas sagen wollte! Glaubst du wirklich, dass du mit ihm zusammenarbeiten kannst? Bei seiner Arroganz laufen ihm die Angestellten schon nach einer Woche weg …«
»Er hat weniger mit ihnen zu tun als ich.« Heath drehte die Petroleumlampe herunter und knöpfte sich das Hemd auf. »Ich komme mit ihm zurecht. Er hat auch gute Seiten …«
»Und die wären?«
»Damon hat einen scharfen Verstand und behält auch im Katastrophenfall einen kühlen Kopf. Seine Leitartikel sind ausgezeichnet, klar, analytisch und fordern zum selbstständigen Denken auf. Und um ehrlich zu sein, der Kreis seiner Freunde und Bekannten ist enorm groß und wird uns früher oder später Nutzen bringen.«
»Wieso gibt er sich überhaupt mit der Zeitung ab? Ein Redmond hat es doch nicht nötig, Geld zu verdienen.«
»Das ist ein wunder Punkt.« Heath streifte das Hemd ab und setzte sich an den Bettrand, um die Stiefel auszuziehen. »Einer der Gründe, warum er sich an dem Verlag beteiligt hegt darin, dass seine Familie sich in einem ›finanziellen Engpass‹ befindet wie er sich ausdrückt. Wenn die Zeitung sich nicht als Gewinn bringendes Unternehmen erweist, verfügen die Redmonds nicht länger über ausreichend finanzielle Rücklagen, um ihr Ansehen in Boston aufrechtzuerhalten. Davon wissen nicht viele Leute …«
»Ich spreche mit niemandem darüber.« Nachdenklich nestelte Lucy am Spitzenbesatz ihres Nachthemds. »Wenn er nicht so arrogant wäre, könnte er mir direkt leidtun. Seine Familie verlässt sich ganz auf ihn, um das Vermögen zu retten? Das muss doch eine enorme Belastung für ihn sein.« Mit einem schelmischen Blick zu Heath schnalzte sie mit der Zunge. »Und wenn ich mir vorstelle … sein Erfolg oder Misserfolg hängt vollständig von einem radikalen Südstaatler und dessen verrückten Ideen ab.«
»Das wirst du mir büßen, Mädchen!«
Unversehens sah Lucy sich flach auf den Rücken geworfen. Seine Hände schlüpften unter die Bettdecke und kraulten sie erbarmungslos. Lucy kicherte. »Hör auf! Aufhören! Ich bin kitzlig!« Sie quietschte vor Lachen. »Heath … wenn du nicht sofort aufhörst …«
»Was dann?« Heath rollte sich zur Seite und lächelte herausfordernd auf sie herab.
Lucy stockte der Atem, als sie ihm in die blitzenden blauen Augen blickte. Dann kicherte sie wieder. »Dann
Weitere Kostenlose Bücher