Fesseln der Sünde
hervor.
Seine Muskeln spannten sich an, und er löste sich mit einem Ruck von ihr und ihrer vorsichtigen Erkundung seines Körpers.
»Tust du das wirklich, meine süße kleine Charis?«, knurrte er und wirbelte herum, um sie anzusehen. »Wie wär’s dann hiermit?«
Und riss brutal die Handschuhe von seinen Händen und warf sie auf den Boden.
19
Charis’ Herz blieb vor Schreck stehen. Endlich sah sie, was Gideon die ganze Zeit versteckt hatte. Sie sah es und konnte es doch kaum glauben.
Sie hatte gedacht, mit den Narben auf seinem Rücken wäre sie schon an die Grenzen ihres Mutes gegangen, doch dies hier ging über alles hinaus, was sie sich vorstellen konnte.
Ihr entsetzter Blick lag gebannt auf den zerschundenen Händen, die er vor ihr ausbreitete, als ob er Charis mit der Eleganz, die sie einst hatten, verspotten wollte. »O Gideon«, flüsterte sie und hatte das Gefühl, die Worte zerschnitten ihr den Hals.
»Das ist ein Anblick, oder? Zumindest funktionieren sie. Ich war mir da nach der Folter nicht so sicher.« Sein Ton war bissig. Er hob seine rechte Hand und hielt sie so nahe vor ihr Gesicht, dass das wirre Netz an Narben vor ihr verschwamm. »Soll deine Haut von diesen Klauen berührt werden? Möchtest du das?«
Sie fuhr zurück, hauptsächlich wegen des quälenden Schmerzes in seiner Stimme, dann zwang sie sich stillzustehen und ihn anzusehen. Sie wusste, er wollte, dass sie vor ihm zurückschreckte. Dass sie ihm bestätigte, so abstoßend zu sein, wie er es glaubte.
»Tu das nicht«, flehte sie ihn an. Zitternd griff sie nach seiner Hand, doch er riss sich los und stellte sich vor den Kamin.
Abgesehen von den hektischen roten Flecken auf seinen ausgeprägten Wangenknochen war sein Gesicht abgespannt und ausgezehrt. Sein Mund sah aus wie eine vor Wut weiß gewordene Einkerbung. Seine schwarzen Augen glänzten vor Scham und Selbstekel.
»Was? Dich nicht berühren?« Sein bitteres Lachen ließ sie zusammenfahren. »Es würde mir im Traum nicht einfallen, deinen Körper mit diesen Klauen zu schänden.«
»Nein …« Er hatte sie missverstanden. Absichtlich, vermutete sie. Ihr Herz zog sich vor Kummer zusammen. Sie fuhr mit zittrigen Händen über ihr Gesicht und bemerkte, dass es nass vor Tränen war.
Er hatte so viel Stolz. Dieser Stolz war Teil seiner außergewöhnlichen Stärke. Aber das bedeutete auch, dass er es hasste, wenn sie seinetwegen weinte. Sie sollte besser damit aufhören.
Wenn sie doch nur könnte.
Er warf ihr einen wütenden Blick zu, schritt zur Tür und schnappte sich auf dem Weg seinen Mantel. »Ich habe genug hiervon. Such dir ein lohnenderes Opfer für deine Barmherzigkeit.«
»Gideon, bitte geh nicht«, presste sie, aufgewühlt von ihren Gefühlen, durch ihre zugeschnürte Kehle.
»Wir sehen uns morgen früh«, erwiderte er krächzend, ohne sie dabei anzusehen. Die gebrochenen Knöchel der Hand, mit der er den Mantel umklammert hielt, waren weiß.
Sie konnte ihn in dem Glauben, sie verschmähte ihn wegen seiner Verletzungen, nicht gehen lassen. Sie sprang zu ihm und griff mit beiden Händen nach seinem nackten Arm. »Nein!«
»Lassen Sie mich gehen, Mylady«, sagte er steif, unterbrach dabei aber seinen überstürzten Rückzug.
Sie ging davon aus, er würde sie fortschieben und fliehen. Doch er stand da, mit dem Gesicht zur Tür und dem Rücken zu ihr. Er zitterte, als hätte seine Krankheit ihn wieder übermannt.
»Nie und nimmer«, gelobte sie mit brüchiger Stimme. Sie glitt mit einer Hand an seinem Arm hinunter, um die zerschundene Hand in ihre zu nehmen. »Nie, nie, nie.«
O Gott, sie musste aufhören zu weinen. Zitternd holte sie Luft und kämpfte um Beherrschung. Er stand gespannt wie ein Bogen. Nervös. Wütend. Gekränkt. Kurz davor, bei der geringsten Provokation um sich zu schlagen. Vielleicht hatte sie ihn zu sehr bedrängt und einen weiteren Anfall riskiert. Sie erstickte ein Schluchzen und strich mit zittrigen Fingern über seine Hand, als könnte eine bloße Berührung heilen, was nie mehr zu heilen war.
Seine andere Hand öffnete sich, und der Mantel fiel auf den Boden, ein stillschweigendes Eingeständnis, dass er nirgendwo hingehen würde. Er senkte den Kopf, bis seine Stirn an der Tür lehnte.
Sie hielt noch immer die unnatürlich geformte Hand und konnte fühlen, was die Wächter ihm angetan hatten. Ein Geflecht an Narben. Sporne und Striemen. Zackenförmig zusammengewachsene Knochen. Knochen, immer und immer wieder gebrochen. Geschwollene
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