Fesseln der Sünde
spannten sich an, als er sich gegen sie wehrte. Ihre Umarmung wurde fester. »Es ist vorbei. Es ist vorbei.«
Eine ganze Weile stand Gideon da, ohne zu reagieren oder sich zu bewegen. Dann spürte sie, wie er sich langsam anspannte. Würde er sie jetzt doch noch abweisen? Sie war erstaunt, wie lange er ihre Berührung hatte ertragen können. Sie war erstaunt, seine Narben und sein Leiden hatte sehen zu dürfen. Wie immer er sie auch jetzt behandelte, das Band zwischen ihnen bliebe immer bestehen.
Was ihren Schmerz nicht lindern würde, wenn er sie nach allem, was sie in der letzten halben Stunde miteinander geteilt hatten, zurückweisen sollte.
Ein erstickter Laut drang tief aus seiner Kehle. Sie spürte, wie sich sein Brustkorb blähte, als er tief Luft holte.
»O gütiger Gott im Himmel«, presste er mit brüchiger, stöhnender Stimme hervor.
Zitternd schlang er die Arme um sie und drückte sie fest an seine Brust. Seine Schultern hoben und senkten sich, während er sein Gesicht in ihren Nacken vergrub. Sie spürte seinen warmen Atem, die zupackende Kraft seiner Arme, das hektische Rasen seines Herzens.
»Ich möchte dir Frieden geben«, flüsterte sie in sein dichtes Haar. Tränen des Schmerzes stiegen wieder in ihr hoch. Sie liebte ihn so sehr, dass es wehtat.
»Das hast du, das tust du«, sagte er eindringlich, doch aus seinen Händen, die ihre umklammert hielten, sprach Verzweiflung, keine Ruhe.
Das war kein Frieden. Vielleicht waren der Friede und er sich so fremd, dass er ihn nicht mehr erkannte. »O Gideon, ich wünschte, es wäre so«, sagte sie traurig,
Er hielt sie so fest, dass ihr Busen gegen seine Brust drückte. Sie atmete flach, mehr ließ seine Umklammerung nicht zu. Sein Kopf lag schwer auf ihrer Schulter. Sein Haar kitzelte sie an ihrem Nacken wie in ihrer ersten gemeinsamen Nacht.
»Jedes Mal, wenn ich meine Hände betrachte, kommt alles wieder hoch.« Seine Stimme war heiser, zögerlich, als er in ihren Nacken sprach. »Der Gestank. Die Hitze. Die Kälte. Der Hunger und Durst. Der nicht enden wollende Schmerz.«
Sie fuhr ihm mit einer Hand, die vor Entsetzen über das, was er erlitten hatte, zitterte, über sein zerzaustes Haar. Die Liebkosung schien so selbstverständlich zu sein. Wie eigenartig. Vor heute Morgen hätte sie das nicht tun können. Und noch gestern wäre es undenkbar gewesen, ihn in ihren Armen zu wiegen und seine kalte Einsamkeit mit ihrer Liebe zu durchdringen.
So viel hatte sich seit ihrer Abreise von Penrhyn verändert.
»Ich weiß nicht, wie du das alles ertragen hast«, sagte sie sanft.
Er straffte sich, und die Muskeln auf seinem Rücken wurden hart wie Stahl. »Ich habe es nicht ertragen. Bevor sie mit mir fertig waren, winselte ich um Gnade.«
Er war so streng mit sich selbst. Könnte er doch nur etwas von der Großzügigkeit, die er ihr gegenüber gezeigt hatte, für das Stillen seiner eigenen Wunden erübrigen. »Du hast deine Kameraden und dein Heimatland nicht verraten«, erwiderte sie mit ruhiger, aber unerbittlicher Stimme. »Du hast mehr als ein Jahr Folter ertragen und bist nicht zusammengebrochen. Du bist einfach viel zu tapfer.«
»Das würdest du nicht denken, hättest du gesehen, welch mitleiderregender Wahnsinniger aus mir geworden war, als sie sich meine Hände vornahmen.« In einer flüchtigen Liebkosung rieb er seinen Kopf gegen ihren Nacken. Die ungezwungene Geste erfüllte sie mit Wärme. Sie konnte kaum begreifen, dass er ihr genug vertraute, um in ihren Armen zu bleiben.
»O mein Liebster«, sagte sie mit leiser Stimme, die vor Gefühl überschwappte. Tröstend fuhr sie mit ihrer Hand über seinen Rücken. Seine Narben ergaben unter ihrer Hand einen welligen Teppich, eine Karte des unfassbaren Tributs, den die Jahre in Indien von ihm gefordert hatten. Sie konnte seine zerschundenen Hände nicht sehen. Das musste sie auch nicht. Ihr Anblick würde sie für immer verfolgen.
»Du musst dir verzeihen, oder du wirst verrückt. O Gott, Gideon. Du bist übersät mit Narben. Du schläfst kaum. Du zuckst zusammen, wenn jemand in deine Nähe kommt.« Ihre Stimme nahm einen sanften, schmeichelnden Ton an. »Du hast alles gegeben, was man von dir hätte fordern können. Und mehr als das. Viel mehr als das. Jeder auf der Welt sieht das, nur du nicht.«
Charis drehte den Kopf und küsste ihn flüchtig auf die Wange. Die Zärtlichkeit, die sie ergriffen hatte, wollte ausgedrückt werden. Sie spürte, wie Gideon der Atem stehen blieb, und
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