Fesseln der Sünde
Liebe nie über die Lippen ihres Mannes. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass sein Schweigen diesbezüglich kein Zufall war.
Genauso wenig erwähnte er seine Pläne für die Zeit nach Jersey. Es war, als stünden diese gemeinsamen Wochen außerhalb ihres eigentlichen Lebens.
Feige wie sie war, ließ sie ihn davonkommen, indem sie das Thema mied. Sie hatte ihren Mut aufgebraucht, als sie ihm nach ihrer Heirat die Stirn geboten hatte. Jetzt hatte sie Angst, zu viele schwierige Fragen würden ihr zartes Glück zerbrechen. Vielleicht weil sich mit jedem neuen Tag die Bedrohung, ihn verlassen zu müssen, tiefer in ihr Herz fraß. Sie konnte es nicht ertragen, ihn sagen zu hören, sie sollten getrennt voneinander leben. Obwohl sein Schweigen diesbezüglich darauf hindeutete, dass er seinen ursprünglichen Plan nicht aufgegeben hatte.
Sie schlang ihren Arm fester um seine Taille, als erhebe sie einen unausgesprochenen Anspruch auf ihn und trotze seinem Recht, sie zu verlassen. Doch die Worte, die danach drängten, seine Absichten zu erfahren, blieben ihr im Hals stecken.
»Charis, es ist Mitternacht«, sagte er mit größerem Nachdruck und schaute dann auf die Uhr. »Fünf nach.«
Seine ungewöhnliche Zwanghaftigkeit mit der Zeit drang durch ihre sorgenvollen Überlegungen hindurch. Sie schaute verwirrt hoch. »Ist das wichtig?«
Er küsste sie schnell auf den Mund. »Du hast wohl dein Zeitgefühl verloren?«
»Zeitgefühl verloren …« Sie blinzelte ihn verdutzt an. Wie schwierig war es doch, zusammenhängende Gedanken zu fassen, wenn seine Küsse sie ins blendende Elysium wirbelten.
Seine Lippen verzogen sich zu einem zärtlichen Lächeln, das ihr armes, ihn bewunderndes Herz Purzelbäume schlagen ließ. »Wir haben den ersten März. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Schatz.«
Ihr Geburtstag …
Erstarrt zog sie sich zurück. Sie zwang ihren benebelten Verstand zu rechnen. Es war so schwierig, das Paradies in Minuten und Stunden zu erfassen. Sie war sich kaum bewusst gewesen, ob Tag oder Nacht war. Gideon war die Sonne in ihrem Leben. Sie brauchte kein weiteres Feuer in ihrem Himmel.
»Dein Vermögen gehört dir.« Sie konnte seinen Ton nicht einordnen. Er hörte sich nicht besonders triumphierend an. Er küsste sie wieder, dieses Mal zärtlicher. »Wir haben gewonnen, Charis.«
Sie hatten ihre Stiefbrüder besiegt. Sie war in Sicherheit. Erleichterung stieg in ihr hoch. Und Angst, dass sich alles zwischen ihr und Gideon ändern würde, jetzt, da die Bedrohung vorbei war.
Sie zwang sich zu sprechen, obwohl sie wusste, dass er nicht gerne hörte, was sie zu sagen hatte. »Durch dich.« Sie schluckte und fuhr in einer Stimme fort, die vor Gefühl bebte. »Ich verdanke dir alles.«
»Ich möchte deine Dankbarkeit nicht.« Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich, und er setzte sich auf. Sein Arm glitt von ihr weg. Aber schlimmer noch war sein emotionaler Rückzug, der so eindeutig wie Frost in der Luft zu spüren war.
»Sie wird dir aber nun einmal sicher sein. Für immer.« Sie brachte endlich den Mut auf, an dem es ihr in letzter Zeit so sehr gemangelt hatte. Die trüben Ströme, die unter der glänzenden Oberfläche wirbelten, waren nicht mehr zu verleugnen. Ihr Ton wurde etwas schärfer. »Ich kann dir dankbar sein und dich zugleich lieben. Das eine schließt das andere nicht aus.«
Sie hatte das Wort Liebe seit jenem Morgen nicht mehr erwähnt, an dem er sich seiner Lust hingegeben hatte und über sie hergefallen war. Sie hatte die Worte immer hinuntergeschluckt, selbst auf dem Höhepunkt sexuellen Vergnügens, wenn die ganze Welt für sie nur aus Gideon bestand. Sein Schweigen hatte ihres genährt.
Ihre Klugheit, sich mit jeder Art Liebeserklärung zurückzuhalten, wurde ganz deutlich. Er sprang auf und betrachtete sie mit genau jenem misstrauischen Gesichtsausdruck, von dem sie gehofft hatte, ihn nie wieder zu sehen. Die Leere in ihrem Herzen hallte in ihrem Körper, als werde eine Totenglocke geläutet.
»Charis, das ist unsere letzte Nacht auf Jersey«, sagte er düster und beachtete ihre Kampfansage nicht. Doch seine wachsamen Augen sagten ihr, dass er sie gehört hatte. »Wir segeln morgen zurück nach Penrhyn.«
Nein, nein, nein, nein, nein.
»Wir fahren ab?« Ihre Frage klang bestürzt.
Könnte das zarte Band, das zwischen ihnen entstanden war, eine Rückkehr in den Alltag überstehen? Hier war sie der Mittelpunkt seines Lebens. Sie war nicht so eitel, zu glauben, ihr
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