Fesseln des Herzens
ihr dazu geraten, damit der Same ihres Mannes nicht gleich wieder aus ihr herausfloss. Wenn es ihm gelang, sich in ihr festzusetzen, würde Ravencroft sie gewiss in Ruhe lassen.
Henry Fellows lag in dieser Nacht ebenfalls lange wach und starrte an die Decke seines kleinen Quartiers. Es befand sich etwas abseits der Schlafhalle, in der seine Männer nächtigten. Viel mehr als eine steinerne Hütte war es nicht, doch sie genügte dem Hauptmann, denn er hatte hier alles, was er brauchte: Tisch, Bett, eine Esse und Platz, um sein Schwert aufzuhängen. Das Einzige, was ihm fehlte, war ein Weib. Bisher hatte er diesen Mangel nicht so sehr gespürt, denn der Dienst an der Seite seines Herrn hatte ihm höchstens mal Zeit gelassen, kurzzeitig Trost in den Armen einer Magd oder einer Hure zu finden.
Aber nun war alles anders.
Er spürte, wie der Wein zusammen mit seinem Blut durch die Adern rauschte, und mit einem Mal war es ihm, dass ihn das Stroh in dem Sack, auf dem er lag, stärker als sonst stach.
Vielleicht war der Wein daran schuld, dass Henry das Bild der jungen Baronin nicht verdrängen konnte. Sie war wunderschön, und ihr Blick hatte ihn sofort angerührt. Was für Augen sie doch besaß! Unter den Frauen, die seinem Herrn dienten, gab es durchaus etliche hübsche, aber keine konnte dem Vergleich mit seiner neuen Herrin standhalten. Wie sollte er je eine Braut finden, ein Weib, das seine Lust stillen würde?
Der Gedanke trieb Henry von seinem Lager hoch und ließ ihn ans Fenster seiner Hütte treten. Von hier aus konnte er das Fenster der Gemächer seines Herrn erkennen. Ein einsamer Lichtschein drang noch immer in die Nacht. Wahrscheinlich lehrte der Baron sein Weib gerade die Geheimnisse der Lust, nahm sich ihren schönen Körper und liebte sie, bis sie glaubte, den Verstand zu verlieren.
Aber je länger er darüber nachdachte, desto mehr zweifelte er daran, dass diese Frau ihren Verstand und auch ihr Herz in dieser Nacht verlieren könnte.
Nicole hatte nicht so gewirkt, als würde sie ihrem Gemahl sonderlich viel Sympathie entgegenbringen. Der Wachmann hatte es bald bemerkt, denn sooft er konnte, hatte er in den Festsaal geblickt und ihre Gestalt gesucht. Beide hatten wie Fremde gewirkt, und ob sich das jemals änderte, nun, darauf wollte Henry lieber nicht wetten. Er hatte nicht erlebt, wie der Baron zu seiner ersten Frau war, die zweite hatte er dagegen mitbekommen, und er hatte auch Ravencrofts Verzweiflung erlebt, als Gott sie zu sich geholt hatte. Nie hätte er geglaubt, dass es je wieder eine Herrin in der Baronie geben würde, dass es nun doch der Fall war, musste an der Furcht seines Herrn liegen, niemandem seinen Besitz vermachen zu können, wenn er starb. Ahnte er vielleicht, dass Gott ihn bald schon zu sich holen würde?
Nein, das war unwahrscheinlich. Immerhin stand er in der Blüte seiner Jahre und war noch weit davon entfernt, ein seniler Greis zu werden.
Allerdings hatte sich in den vergangenen Monaten der Konflikt zwischen ihm und dem Baron of Woodward verschärft. Daher war es durchaus möglich, dass ein Bolzen oder ein Schwertstreich seinem Leben ein Ende bereitete. Umso wichtiger war es für ihn, dass der Same heute oder vielleicht in den kommenden Nächten auf fruchtbaren Boden fiel.
Doch auch wenn dieser Gedanke lästerlich war und keinesfalls von der Loyalität zeugte, die Henry gegenüber seinem Herrn empfand, so konnte er sich seiner nicht erwehren. Er wäre jetzt nur zu gern an der Stelle des Barons und hätte diese Frau die ganze Nacht über begattet. Da dies nicht sein durfte, klemmte er sich die rauhe Decke zwischen die Schenkel und versuchte auf diese Weise, der Enge in seinem Hosenbeutel Herr zu werden.
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1 . Kapitel
Frühling 1287
A n diesem Frühlingsmorgen, neun Monate nachdem Celeste unter Jubelgeschrei das mit Jungfrauenblut getränkte Laken am Morgen nach der Hochzeit aus dem Fenster gehalten hatte, schreckte Nicole schweißüberströmt aus dem Schlaf.
Das morgendliche Dämmerlicht fiel wie ein roter Schleier in ihre Kemenate, und der erdige Duft des Frühlings stieg ihr in die Nase.
Ein beunruhigender Traum hatte sie heimgesucht, und ihr war, als hätte sie im Schlaf einen kleinen Schmerz verspürt, doch als sie jetzt in sich hineinhorchte, war davon nichts mehr zu merken.
Schmerzen waren in den vergangenen Monaten immer wieder ihre Begleiter gewesen. Ihr Magen hatte in den ersten Monaten höllisch weh getan, danach die Füße und schließlich der
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