Fesseln des Schicksals (German Edition)
bring reichlich heißes Wasser und saubere Tücher.»
Die Sklavin verschwand sofort.
«Und du, Olivia, komm her und hilf mir, Molly aufs Bett zu legen. Sie ist sehr schwach.»
Kaum hatte sie den Befehl erteilt, versuchte Katherine sich aufzurichten. Sie schlang sich Mollys kraftlosen Arm um die Schultern und zerrte mit aller Kraft an ihrem Oberkörper.
Genau in diesem Moment überfiel der Schmerz auch sie ohne jede Vorwarnung. Kurz und heftig wie ein Peitschenhieb.
«Mein Gott! Nicht jetzt», flehte sie und krümmte sich, während sie mit zusammengebissenen Zähnen darum kämpfte, Molly nicht fallen zu lassen. «Gib mir bitte noch etwas Zeit.»
Sie atmete tief aus und ein und spürte erleichtert, dass das Stechen wieder nachließ. Trotzdem gelang es ihr nicht, allein aufzustehen, und sie sah sich hilfesuchend um.
«Olivia, worauf wartest du?», drängte sie die rundliche schwarze Frau, die wie festgewachsen stehen geblieben war, unfähig zu entscheiden, welcher der beiden schwangeren Frauen sie nun beistehen sollte. «Hilf mir», befahl Katherine, während Mollys Körper ihr immer mehr entglitt.
Gemeinsam schleiften sie die beinahe bewusstlose Schwangere zum Bett. Olivia nahm die Schultern, Katherine packte die Füße, und mit letzter Kraft schafften sie es, Molly auf die Laken zu hieven.
Vollkommen erschöpft ließ Katherine sich neben ihrer Freundin aufs Bett fallen. Sie schloss die Augen und tat das Einzige, was ihr noch möglich war: Sie betete, dass bald Hilfe kommen möge.
***
Mollys herzzerreißende Schreie hatten sich in leises Stöhnen verwandelt, als Nana Lo, die alte Hebamme der Plantage, endlich das Zimmer betrat, gefolgt von Latoya, die Stofffetzen und eine Schüssel mit Wasser trug.
Langsam näherte Nana Lo sich dem Bett, und ihr dunkler und durchdringender Blick wurde unwillkürlich etwas trauriger, als sie Molly erblickte. Forschend betrachtete sie den schlaffen Körper, öffnete vorsichtig die Augenlider der jungen Frau, als würde das ausreichen, um alles in Mollys Innerem zu lesen, was sie wissen musste. Dann tastete sie den Bauch der Schwangeren ab, und nach einer abschließenden Untersuchung ihres Schoßes, die nur wenige Augenblicke dauerte, sah sie ihre Herrin ernst an und schüttelte den Kopf.
Als der alte Sklave schließlich mit Doktor Steward und dem Aufseher Owen Graham zurückkehrte, rührte Molly sich kaum noch.
Der Arzt war Anfang vierzig, mittelgroß und schlank. Er hatte dichtes braunes Haar und einen sorgfältig getrimmten Backenbart, der bis auf wenige Millimeter an die Mundwinkel heranreichte. Er war die Verkörperung der Gewissenhaftigkeit.
Wenn es Schwierigkeiten gab, wusste er gewiss einen Ausweg, sagte sich Katherine und versuchte, die hämmernden Stimmen in ihrem Kopf zum Schweigen zu bringen, die ihr einreden wollten, dass der Befund der alten Hebamme richtig war.
Owen bemühte sich, die junge Frau nicht anzusehen, die auf den mittlerweile blutgetränkten Laken um ihr Leben kämpfte. Er mochte nicht daran denken, dass Molly vielleicht sterben könnte. Gleich nachdem der Sklave ihm Bescheid gegeben hatte, war der Aufseher losgestürmt. Mitten in der Nacht war er quer über die Felder galoppiert, um Hilfe zu holen. Jetzt, da er seine Mission erfüllt und den Arzt sicher auf die Plantage gebracht hatte, konnte er nichts mehr tun. Er musste abwarten und darauf vertrauen, dass Molly die Geburt überstand. Für einen Moment kreuzte sich sein Blick mit Katherines. Owen senkte schnell den Kopf und verließ dann den Raum. Er würde im Gang warten.
Doktor Steward sah sich kurz um. Mit ausdrucksloser Miene winkte er den Sklaven heran, zog seine Jacke aus und reichte sie ihm. Dann knöpfte er die Manschetten seines Hemdes auf und krempelte die Ärmel hoch bis zu den Ellbogen. Er holte das Stethoskop aus seiner Tasche und näherte sich der Wöchnerin mit der gleichen Bedachtsamkeit, mit der er auch einen heißen Kaffee getrunken oder die Spitzen seines Backenbartes zurechtgezupft hätte. Er hörte sie ab, als folge er einem mit den Jahren einstudierten Ritual. Anschließend drückte er ihr das breite Ende eines konkaven Holzzylinders auf die Brust und näherte sein Ohr dem Gerät. Nachdem er dem Herzschlag für einige Sekunden gelauscht hatte, überprüfte er mit Hilfe seiner Taschenuhr den Puls der Patientin und untersuchte ihre Augen. Zum Schluss tastete er Mollys Leib ab, wie es auch die Hebamme mit ihren erfahrenen Händen schon getan hatte.
«Es tut mir leid,
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